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Mit Sicherheit locker

Schraube im Reaktordruckbehälter des AKW Krümmel defekt. Kieler Energieministerium: „Sicherheitstechnisch bedeutsam“  ■ Von Heike Haarhoff

Im Atomkraftwerk Krümmel sind gestern erneut Sicherheitsmängel entdeckt worden. An den Steuerstäben im Reaktordruckbehälter hat sich eine Schraube gelöst. Auch das sie haltende Gewinde wurde zerstört. Der Kieler Energie-Staatssekretär Wilfried Voigt (Grüne), dessen Ministerium die Atom-Aufsicht hat, sprach von einem „sicherheitstechnisch höchst bedeutsamen Defekt“.

Die Schraube – es handelt sich um eine zentrale, 22 Zentimeter große Sicherungsmutter des Gehäuserohres – hatte sich nach dem Bruch eines Sicherungsstiftes vollständig gelöst. Ein solcher Defekt, so Voigt, sei „erstmals“ bei einem Atomkraftwerk aufgetreten. Er verursache einen erheblichen Prüfaufwand, dessen Konsequenzen für das Wiederanfahren des Reaktors noch nicht abschätzbar seien.

Steuerstäbe sind das „Gaspedal“ eines AKWs. Sie steuern den Neutronenfluß und bestimmen damit, wie viele Kernspaltungen stattfinden. In Krümmel gibt es 205 Steuerstäbe, die von 205 Schrauben gehalten werden. Sollten die übrigen Schrauben auch locker sein, steht zu befürchten, daß die Steuerstäbe um 15 bis 20 Millimeter nach unten rutschen, bis sie von der zweiten Sicherheitsstufe, den sogenannten „Zugankern“, aufgefangen werden. Damit wäre möglicherweise die Steuerung nicht mehr gewährleistet, auch könnten durch den Spalt radioaktiv verseuchte Kühlmittel austreten.

Die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW), die den Siedewasserreaktor zusammen mit dem niedersächsischen Energieversorger PreussenElektra betreiben, erklärten, „Die Schraube hat keine sicherheitstechnische Bedeutung.“ „Weltweit“, unter anderem in Skandinavien, so HEW-Sprecher Johannes Altmeppen, hätten viele Reaktoren diese Schraube gar nicht. Sicherheitstechnisch relevant seien vielmehr die Zuganker.

Voigt reagierte empört: „Wir werden nicht hinnehmen, wenn eine der beiden vorhandenen Sicherheitseinrichtungen unter dem Hinweis wegfällt, es gebe ja noch eine zweite Sicherung.“ Im Gegenteil: Sollten die HEW die Schrauben künftig ersatzlos wegfallen lassen wollen, ziehe dies „möglicherweise“ ein aufwendiges „Genehmigungsverfahren“ nach sich.

Der energiepolitische Sprecher der Hamburger Grünen, Lutz Jobs, hält es „für absurd, eine Sicherheitsstufe abzuschaffen“. Sollte es dennoch – und ohne neues Genehmigungsverfahren – dazu kommen, drohte er, „kann das auch der Hauptaktionär (die Stadt Hamburg, d. Red.) nicht akzeptieren“.

Erst am Mittwoch waren bei den jährlichen Revisionsarbeiten, für die Krümmel seit dem 19. Juni abgeschaltet ist, 14 Hinweise auf erneute Risse an Speisewasserrohren entdeckt worden. Der Rißverdacht habe sich inzwischen erhärtet. Und: „Es gibt Hinweise darauf, daß auch die neuen, erst 1994 eingebauten Rohrleitungen betroffen sein könnten.“ Bisher war das Ministerium davon ausgegangen, daß nur alte, nach der ersten Rißbildung von 1994 noch nicht ausgetauschte Rohre betroffen seien.

Unterdessen ist es gestern nachmittag im AKW Brunsbüttel nach einem Bedienungsfehler beim Wechsel eines Ölfilters in der Turbinenanlage zu einer Reaktorschnellabschaltung gekommen. Der Schaden liege im nicht-radioaktiven Bereich, so das Energieministerium. Bereits am 15. Juli mußte das AKW wegen einer leckenden Schweißnaht an einer Kühlungsleitung für einen Tag vom Netz.

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