: Kampf um Selbstbestimmung in Nigerias Ölgebieten
■ Bewaffnete Jugendgruppen im Niger-Flußdelta beunruhigen das Militär. Zudem haben sich seit dem Tod von Oppositionsführer Abiola die ethnischen Spannungen in Nigeria verschärft
Berlin (taz) – Douglas Oronto, Sprecher der nigerianischen Oppositionsgruppe „Chikoko“, ist kategorisch. „Wir bestehen auf einer politischen Umstrukturierung, wenn Nigeria demokratisch werden oder überhaupt ein Land bleiben soll“, erklärt er. „Leider ist eine politische Umstrukturierung nicht auf der Tagesordnung von General Abubakar. Wir hören Gerede über Wahlen, als ob Wahlen ein stabiles Staatswesen garantieren und man unter dem in Nigeria herrschenden internen Kolonialismus Demokratie haben könnte.“
„Chikoko“, sogenannte „Widerstandsbewegung des Niger- Deltas“, will Selbstbestimmung für Nigerias Ölgebiete. Ende Mai beschloß die Organisation, ab dem 1.Oktober Nigerias Zentralregierung nicht mehr anzuerkennen. Trotz des Todes von General Sani Abacha und dem Amtsantritt von General Abubakar bleibt der Beschluß gültig. Und in der explosiven Stimmung, die seit dem Tod des Oppositionsführers Abiola herrscht, treiben immer mehr Kräfte in der Region um das Niger- Flußdelta die Abspaltung voran.
Die Militärverwaltung der Region Warri North im Bundesstaat Delta erteilte ihren Truppen diese Woche die Erlaubnis, ohne Vorwarnung das Feuer zu eröffnen, um Gewalttaten zu verhindern. „Niemand darf sich ohne Erlaubnis bewegen“, verkündete Verwaltungschef Okoh. Der Befehl gilt für die gesamte Region am Unterlauf des Benin-Flusses am nordwestlichen Rande des Niger-Deltas. Auf diesem Fluß und seinen Nebenläufen kreuzen nach amtlichen Angaben bewaffnete Jugendgruppen in Schnellbooten. Jetzt darf sich allein das Militär auf den Wasserwegen bewegen.
In der Region nördlich der Ölstadt Warri herrscht seit langem ein Streit um Landrechte zwischen zwei Ethnien, den Ijaw und den Itsekiri. Es geht um ein Stück Land, auf dem eine Ölanlage des US- Konzerns Chevron steht und für das Vertreter beider Ethnien die von Chevron versprochene Entschädigung beanspruchen. Immer wieder fordern Konflikte Todesopfer. Zugleich aber haben sich radikale Jugendgruppen gebildet, die mehrmals Ölinstallationen um Warri lahmgelegt haben.
Die neuen Konflikte nahe Warri seit Abiolas Tod haben offenbar nicht bloß mit dem Landstreit zu tun. Der Militärgouverneur des Bundesstaates Delta, Oberst John David Dungs, schrieb die Gewalt „Unbekannten“ zu, die die Entschädigungsverhandlungen mit Chevron ablehnten. „Dörfer am Benin-Fluß sind No-go-Gebiete geworden, da sie angeblich von unbekannten bewaffneten Jugendlichen besetzt worden sind“, berichtete die Zeitung Vanguard. Die bewaffneten Gruppen des Niger-Deltas haben von den Ogonis gelernt, die 1993-95 unter Führung des später hingerichteten Schriftstellers Ken Saro-Wiwa in ihrem damals relativ gewaltlosen Kampf um Menschenrechte im Ölfördergebiet weltberühmt wurden – aber erfolglos blieben. Und sie sehen jetzt Verbündete in den radikalen oppositionellen Jugendgruppen des Yoruba-Volkes in und um Lagos, die bereits von einem unabhängigen Yoruba-Staat namens „Republik Oduduwa“ sprechen.
Die Chikoko-Bewegung hat nun ihre Forderung erneuert, wonach eine paritätisch aus allen Landesteilen zu besetzende Nationalkonferenz eine föderale Verfassung erarbeiten soll. Der Dachverband der nigerianischen Demokratiebewegung „Jacon“ (Joint Action Committee for Nigeria) hat diese Forderung bekräftigt und zugleich klargestellt, daß er jedes neue Demokratisierungsprogramm der Militärregierung Abubakar ablehnt. Dominic Johnson
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