: Hauptsache ordentlich Staub aufwirbeln
■ Die Bundesländer investieren Milliarden in die Hoffnung, die Medienindustrie sei die beschäftigungspolitische Zukunft - besonders in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die Studie eines landeseigenen Ins
Medien sind die Zukunft. Das ist derzeit das Dogma, und seine eifrigsten Vertreter sind die Ministerpräsidenten von Nordrhein- Westfalen und Bayern. Jobs, Glamour, Einfluß, Internationalität – die Kommunikationsindustrie, so ihr Kalkül, bringt alles, was die milliardenschwer subventionierten Wirtschaftszweige der Vergangenheit, der Steinkohlebergbau in NRW und die Landwirtschaft in Bayern, nicht mehr bringen. Doch erst einmal stecken sie allerhand Milliarden auch in die Verheißung vom Medienstandort.
NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) setzt voll auf diese „innovative Wachstumsbranche“ und fördert in Verbindung mit der staatsnahen Kölner Stadtsparkasse den Aufbau des Medienzentrums in der Domstadt. Auf mehr als 70.000 neugebauten Quadratmetern sollen Fernsehproduktionen aus ganz Europa neben anderen Mediendienstleistungen angesiedelt werden.
„Medienpolitik mit der Brechstange“, nennt das Kurt Faltlhauser, Staatskanzleichef von Bayerns Edmund Stoiber (CSU). Clement schicke gar Abwerber quer durch Bayern. Im gleichen Atemzug verkündete Faltlhauser den Ausbau von Studiokapazitäten in Bayern. Eben noch erzürnt über die „Quadratmeterbolzerei“ (Faltlhauser) in NRW, geht man im Spiel der Superlative in die Gegenoffensive und plant die mit gut 10.000 Quadratmetern größte Fernsehhalle Deutschlands. Zudem gibt es in Bayern demnächst nach NRW- Vorbild eine Medienagentur, die den Standort weiterentwickeln soll. Bei Clement, so Faltlhauser neulich ganz entspannt auf dem Kölner Medienforum, da könne man sich schon was abgucken.
Doch nicht nur NRW und Bayern hegen die große Medienstandorthoffnung – wenngleich kein anderes Land das mit solchem Aufwand tut wie sie. Auch in der CDU-geführten Berliner Senatskanzlei empfindet man die Aktivitäten Clements als „Kampfansage“, so Senatssprecher Klaus Hetzel. Berlin fördert wie Brandenburg den Ausbau der Studios in Potsdam-Babelsberg sowie im einstigen DDR-Fernsehzentrum Adlershof, um die Medien in die Hauptstadt zu locken. In Hessen empfängt Wirtschaftsminister Lothar Klemm (SPD) heute Banker und Filmleute, um mit ihnen über seinen 80-Millionen-Mark Fonds zu reden, den das Land jetzt für Medieninvestitionen bereitstellt. Und die CDU-geführte Landesregierung von Baden-Württemberg erhofft sich einen Schub für ihre Medienstandortpläne von der Gründung des neuen öffentlich- rechtlichen Südwestrundfunks.
Bei all diesen prestigeträchtigen Aktivitäten wurde die Frage nach Sinn und Nutzen noch gar nicht so recht gestellt. Doch jetzt hat in NRW das landeseigene Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen in einer Studie die Begeisterung für das Standortspiel gedämpft: Die neuen Medien seien „kein beschäftigungspolitisches Wundermittel“, heißt es dort, und kaum geeignet, „strukturschwachen Regionen schnell auf die Beine zu helfen“. In NRW seien zwar 213.000 Menschen im Medienbereich beschäftigt, doch dürfe das nicht überschätzt werden: Die Branche stelle nur 2,9 Prozent der Beschäftigten in NRW.
Die Entwicklung zeigt, so Jürgen Nordhausen-Janz, Mitautor der von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung mitfinanzierten Studie, daß in strukturschwachen Regionen keine schnellen Aufholprozesse zu erwarten sind: „Der Zug ist gerade für viele Kleine schon abgefahren.“ Entwicklungschancen hätten allenfalls die großen Medienregionen, in denen sich der Wachstumsprozeß über mehrere Jahrzehnte vollzogen habe, glauben die Forscher. Bestes Beispiel: der WDR-Standort Köln, dessen Wurzeln bis in die 50er Jahre zurückreichen.
Die Ergebnisse seien kein Grund, die bisherige Medienpolitik zu ändern, findet dagegen Bernd Möller, Leiter des Düsseldorfer Landespresseamts: „Die Medienbranche ist ein Motor mit viel Schubkraft in NRW, der viel Staub aufwirbelt.“ Und gerade in den strukturschwachen Gebieten könne die Kommunikationswirtschaft zu einem der wichtigsten Faktoren für den Wandel werden.
Befürworter der Großinvestitionen verweisen auch gern auf den kürzlich vorgestellten Abschlußbericht der Enquetekommission des deutschen Bundestages zur „Zukunft der Medien“. Dort wird von einer wahrhaft historischen Bedeutung in den Entwicklungen der Medienbranche geschwärmt. Sie habe eine ähnliche Dimension für die Menschheit wie der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Aufgabe der Politik sei es, die Wege für die Medienwirtschaft zu ebnen. Für die Politik ist der Sinn der Milliardenausgaben eben eine Glaubensfrage. David Schraven
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen