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Abgeklemmte Arterie

■ Blutleer und graustichig: Karl-Heinz Wallochs „Die Elbchaussee“ gibt nur wenig Aufschluß über Hamburgs „schönste Straße“

traßen sind die Arterien der Städte, technische Bauwerke einer mobilen Gesellschaft, Orte von Öffentlichkeit und Auseinandersetzung – und sie geben schlicht die Adresse an.

Eine der besseren der Stadt ist die Hamburger Elbchaussee, sie ist Synonym für Wohlstand. Anhand ausgewählter Bauten und Parks sowie biografischer Skizzen erzählt der Journalist Karl-Heinz Walloch einen Teil ihrer Geschichte in seinem Buch Die Elbchaussee. Gesäumt von Villen und einzigartigen Parklandschaften an der „Butterseite“ zur Elbe und der „Margarineseite“ gegenüber, vergegenwärtigt sie hanseatische Landhauskultur. Vom sandigen Fahrweg zur betulichen Landstraße, an der die Anwohner an Schlagbäumen Wegegeld von fremden Passanten kassierten, ließe sich der Weg zur vielbefahrenen Ausfallpiste nachzeichnen. Auf diese Spur begibt sich Walloch aber nur bruchstückhaft.

Immer wenn er nahe am genius loci operiert, sind seine Geschichten – wenn auch etwas onkelhaft erzählt – eine lockere Lektüre. Bevor man sich diese jedoch zu Gemüte führen kann, muß man sich durch 80 Seiten weit vom Thema wegführender historischer Einordnung durchwühlen. Schade: Denn das Thema Straße bietet eigentlich eine Vielzahl interessanter Zugänge. So wäre eine kurze Einführung in die Straßenbaugeschichte nützlicher und kurzweiliger gewesen als der Ausflug in die Steinzeit. Teilweise rätselhaft bleibt die Bebilderung, wo reizlose aktuelle Aufnahmen von Straßenschildern und Unfällen zeitlich nicht dazu passende Kapitel graustichig illustrieren. So wollen die Teile nicht recht zueinanderpassen. Die Straße hat mehr zu erzählen und verbleibt vorerst blutleer – wie eine abgeklemmte Arterie.

Thomas Schulze

Karl-Heinz Walloch: „Die Elbchaussee, Geschichte und Geschichten von Hamburgs schönster Straße“, Rasch und Röhring, Hamburg 1998, 248 Seiten, 32 Mark

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