Von Bauern und Bönhasen

Die Kunsthalle zeigt mit Von Stutzern, Philosophen und Kesselflickern ihre Sammlung zur Malerei des Barock in Hamburg  ■ Von Hajo Schiff

Weintrauben, in deren Beeren sich das Fensterlicht spiegelt, Blumen, von Schmetterlingen umflattert und saftiges Fleisch an der Küchenwand: In Stilleben kann schwelgen, wer die Ausstellung zur barocken Malerei in Hamburg besucht. Wie kein anderes städtisches Museum besitzt die Kunsthalle dank der Initiative ihres ersten Direktors Alfred Lichtwark eine umfangreiche Sammlung hier entstandener Malerei. Da diese zu umfangreich ist, um geschlossen gezeigt zu werden, werden in den Kellerkabinetten jeweils ausgewählte Kunstkapitel präsentiert. Jetzt geht es unter dem Titel „Von Stutzern, Philosophen und Kesselflickern“ um das 17. Jahrhundert.

Es gibt kein gemeinsames Kriterium, das diese unter diversen Einflüssen entstandene Kunst des Barock verbindlich zusammenfassen kann. Teils renaissancehafte Genauigkeit, teils skizzenhaft lockerer Pinselstrich findet sich je nach Thema sogar bei denselben Künstlern. Ein zusätzlicher Raum mit Zeichnungen zeigt das Bild-Repertoire in seiner ganzen Breite – vom Sturz des Ikarus zu drolligen Genreszenen.

Besonders herausgestellt wird der Maler Matthias Scheits, dessen genaue Lebensdaten nicht bekannt sind. In unterschiedlichem Gestus malt er virtuos Schlachtenbilder und Gesellschaftsstücke, Bibel-szenen und lustige Bauernstücke. Doch so sehr dabei die Genauigkeit der Abbildung geschätzt wurde, ein reales Bild des Bauernlebens war nicht beabsichtigt. Das stilisierte Leben der Bauern kann in Sprichwörter oder Allegorie überführt werden, die nicht soziologisch, sondern moralisierend zu lesen sind.

Um diese Kunst zu verstehen, benötigt der Betrachter noch mehr, als es für aktuelle Kunst notwendig ist, ein ästhetisch-emblematisch und religiös geschultes Hintergrundwissen. Bei einer fröhlichen Gesellschaft am Waldesrand geht es dann weniger um eine Idylle als um die Entscheidung zwischen Tugend und Laster. Der gelehrig-belehrende Unterton dieser Bilder entsprach der protestantischen Ethik. So konnte der Betrachter sich an der Art der bildnerischen Umsetzung erfreuen und darüber hinaus seine Wahrnehmung des Alltags in Hinsicht auf christliche Bedeutung schulen.

Trotz herrschaftlicher Selbstporträts galten die Maler im Barock noch als bessere Handwerker. Sie mußten im Hamburger Maleramt zünftig organisiert sein. Wer nicht Mitglied war, galt als „Bönhase“ und wurde verfolgt. Nur wenige, wie der in Altona geborene Georg Hinz, konnten sich als „Freimeister“ durchsetzen. Von ihm stammt eines der Glanzstücke der Hamburg-Sammlung der Kunsthalle: Das „Kunstkammerregal“ von 1666, in dem sich Augenlust und Augentäuschung, zur Schau gestellte diesseitige Pracht und todesgewisses Memento mori aufs Schönste vereinen.

Römische Ruinen zeigt das Bild „Schatzgräber“ des Hamburgers Johann Oswald Harms. Er studierte mehrere Jahre in Italien und hat anschließend an deutschen Höfen gearbeitet. In Hamburg war er dann für einige Jahre Dekorationsmaler an der Oper. So sehr Italien auch stilbildend war, die engsten Beziehungen reichten nach Holland. Die Hamburgische Vorliebe für niederländische Malerei war sehr ausgeprägt, bestärkt durch die ähnlichen Strukturen protestantischer Handelsstädte. Man kaufte Bilder aus den Niederlanden oder von dortigen Meistern, die auf der Durch-reise waren, Hamburger Künstler gingen dorthin zur Ausbildung. Mancher kehrte gar nicht mehr zurück: Der Hamburger Jürgen Jacobs blieb im Gastland und starb als Juriaen Jacobsz im Jahr 1685 in Leeuwarden.

Das barocke Hamburg war eine reiche Stadt. Durch seine hervorragende Befestigung und seine geschickte Politik blieb Hamburg während des 30jährigen Kriegs verschont und war die ganze Zeit ein blühender Handelsplatz. Doch die Kunst versteckte sich meist in Privatsammlungen. Was die Malerei des Barock angeht, hat Lichtwark hier Abhilfe geschaffen, und diese Ausstellung ruft es ins Gedächtnis. Doch vielleicht ist ja auch das Ignorieren von in Hamburg lebenden Künstlern hier so etwas wie eine Regel.

Hamburger Kunsthalle, bis 18. Oktober, Katalog 16 Mark