Deutliches und lautstarkes Zeichen

■ betr.: „,Mörder! Mörder!‘-Rufe gegen Schönbohm“, „Haß statt Diskussion“, taz vom 15. 7. 98

Zum Kommentar vom Ralph Bollmann: Daß Politik nicht an die Universität gehört, kann nicht wollen, wer will. Sie ist an der Universität. Und daß „AusländerInnen“ sich mit ihren Möglichkeiten gegen Politiker zur Wehr setzen, die Menschen nicht nur von Menschen unterscheiden, sondern daraus auch noch unterschiedliche Rechte und Pflichten ableiten, sollte nachvollziehbar sein. Auch für „Liberale“ oder „Linke“.

Letztere könnten eventuell auf den Gedanken kommen, daß es in der hier vorliegenden und teilweise lebenswichtigen Diskussion strukturelle Machtunterschiede gibt. So kann ein Innensenator seine „rhetorischen Exkursionen in die Grauzone zum Völkischen“ (gemeint sein dürfte „Braunzone“ zum Völkischen) in außergewöhnlich großer Auflage in vielen Zeitungen tagtäglich veröffentlicht sehen. Und auch wenn er sie nicht veröffentlicht sehen sollte, so ist es dennoch wahrscheinlich, daß er sie umgesetzt sehen kann. Nicht so die „AusländerInnen“. Weder die Veröffentlichung noch die Umsetzung. Das kann auffallen, muß aber nicht.

Zum Artikel von Dorothee Winden: Eigentlich ist es ja ein Kommentar mit einer Aneinanderreihung von Zitaten. Zitiert wird der RCDS (dessen Mitglieder sich in ihrer persönlichen Entfaltung durch Informationsveranstaltungen zur Asyl- und Abschiebungspraxis verletzt fühlen) und ein „Exgeneral“, der diese Politik und Praxis in die Tat umsetzt.

Wo will die taz eigentlich noch hin. In der „Mitte“ ist nicht mehr viel Platz. Und wo ist diese „Mitte“ eigentlich? Wer sagt, was die „Mitte“ ist? [...] Johannes Geffers

Ich weiß nicht, mit welchen Erwartungen der Kommentator zu der Veranstaltung des RCDS zum Thema: „Die Herausforderungen Berlins auf dem Weg ins 21. Jahrhundert – Freiheit – Demokratie – Sicherheit“ mit Innensenator Schönbohm als Gastredner, kam. Es scheint ihm jedoch entgangen zu sein, daß allein schon die Begleiterscheinungen Anlaß für lautstarken Protest gewesen wären: Personalausweiskontrolle und Durchsuchungen durch andere Studierende (des RCDS) und Belagerungszustand durch die Polizei an einer Universität!

Weiterhin scheint Herrn Bollmann nicht bewußt zu sein, daß man mit einem Innensenator, der noch vor einer Woche in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 74 bosnische Flüchtlinge ohne rechtliches Gehör abschieben ließ, auf einer Veranstaltung unter Medienpräsenz an der FU nicht über „Freiheit“ und „Demokratie“ diskutieren kann. Was glaubt Ralph Bollmann eigentlich, würde der Senator getan haben, wenn seine Veranstaltung nicht gestört worden wäre?

Bollmann schreibt weiterhin: die „rhetorischen Exkursionen in die Grauzone zum Völkischen hätten die Bereitschaft zum demokratischen Exkurs arg strapaziert“. Tatsächlich! Das nenn' ich eine messerscharfe Analyse! Das ist doch wohl eine unverfrorene Verharmlosung seiner brutalen Vertreibungs- und Asylpolitik. Schönbohm wartet nicht nur mit rhetorischen Mitteln auf, nein, er handelt, und zwar schnell (siehe oben). Es geht darum, Schönbohm kein Forum für seine rassistischen und ausländerfeindlichen Äußerungen zu geben, denn nur dies wäre von ihm zu erwarten gewesen – siehe des Innensenators Äußerungen zur Integrations- und Ausländerpolitik in dieser Stadt.

Es sollte ein deutliches und lautstarkes Zeichen gesetzt werden gegen eine menschenverachtende Politik, die – zumindest an der Uni von sehr vielen Studierenden nicht widerspruchslos geduldet und ertragen wird – schon gar nicht zu solch heuchlerischen Themen! Genau deswegen mußte diese verlogene Veranstaltung lautstark gestört bzw. unmöglich gemacht werden.

Es darf eben nicht sein, daß man Schönbohm überall Möglichkeiten bietet, seine „völkischen“ Vorstellungen zum Besten zu geben. Allein dieses Wort entlarvt doch schon die geistige Verwandtschaft Schönbohms zu den rechtsradikalen Ideologen Jörg Haider und Le Pen, oder auch zu DVU-Chef Gerhard Frey, die scheinbar auch dem Kommentator aufgefallen ist. Um so unverständlicher ist es für mich, daß er dann dieselben Leute kritisiert, die dieser Art geistige Verwandtschaft den Boden entziehen wollen.

Zur „aggressiven Stimmung, die jeden Außenstehenden schreckt“: keine Ahnung, wann Herr Bollmann an der FU gewesen ist und wie damals die Stimmung war. Es ist doch wohl kein Wunder, angesichts der repressiven Politik, die vor allem der Innensenator seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren an den Tag gelegt hat und sich auch an der Uni durch scharfe Einlaß- und Personalausweiskontrollen (wer gibt eigentlich einem Studierenden und Mitglied des RCDS das Recht, andere Studis zu kontrollieren? Ich dachte, das wäre hoheitliche Angelegenheit, also Sache der Polizei?) bemerkbar macht. Maximilian v. Demandowsky

Artikel und Kommentar liefern einen völlig falschen Eindruck von dem, was am 14. Juli in der FU geschehen ist. Protest aus politischer Verantwortung gegen Schönbohmsche Verantwortungslosigkeit und die entsprechende Wut darüber implizieren nicht notwendig Haß. Sind die beiden sicher, ein „Trommelkonzert“ gehört zu haben? Ich nicht.

Wenn ein Student betont, daß er weder als AStA-Vertreter noch im Namen der AusländerInnen-Liste spricht, sollte D. Winden nicht behaupten, ein AStA-Vertreter sei ans Mikrophon getreten. Das ist unmöglich, da der AStA sich nicht mehr allgemeinpolitisch äußern darf – dank der Klage des an der FU sehr wohl allgemeinpolitisch agierenden RCDS.

Sie schreibt nichts über die drei Leute, die mit Theaterblut übergossen „tot“ am Boden lagen und das dazugehörige Transparent mit der Aufschrift „Schönbohm hinterläßt eine Blutspur“, nichts über den Beifall, den diese Aktion erhielt.

Schönbohms rassistisches Gebaren als Grund des Protestes erwähnt sie merkwürdigerweise nicht. Die Väthsche Wortschöpfung „FU-Hooligans“ gibt sie kommentarlos wider, als handele es sich tatsächlich um verantwortungslose, brutale Menschen.

Schlafmützig verwechselt R. Bollmann spontanen studentischen Protest gegen Schönbohms Politik mit einer angeblich „plumpen Retourkutsche“ gegen den RCDS. Es spielt wohl kaum eine Rolle, ob die Protestierenden wirklich oder „vermeintlich“ links oder vielleicht etwas ganz anderes sind, zumal er nicht erklärt, wer sich seiner Meinung nach „links“ nennen darf. Eine „aggressive Stimmung“ herrscht an der FU nicht. Wenn es Aggressionen gibt, trägt meines Erachtens nicht das „AStA-Umfeld“ – wen auch immer er damit meinen möge – dazu bei.

Wobei denn erweisen sich diese Leute als schlechte DemokratInnen? Sie haben doch zu argumentativer Kritik an Schönbohm aufgerufen. Daß es StudentInnen mit anderer Meinung gibt, deren Teilnahme an der Veranstaltung allerdings teilweise verhindert wurde, ist eine andere Sache mit Gründen, über die nachzudenken lohnenswert wäre. Ganz gewiß mangelt es nicht an Argumenten! Weder wird „jeder mißliebige Politiker“ als rechtsradikal bezeichnet, noch wurde Schönbohm mit Haider oder Le Pen gleichgesetzt. Da war doch eher an eine Steigerung gedacht.

Wie bitte soll Diskussion möglich sein, wenn der RCDS, der bekanntlich alles daransetzt, offene, gesellschaftskritische AStA-Veranstaltungen und sogar nur deren Ankündigung zu unterbinden, selber von unnötigem Polizeiaufgebot verzierte, politisch einseitige Veranstaltungen an der FU abhält, von denen er allerdings KritikerInnen auszuschließen sucht? Seit wann ist es üblich, bei universitären Veranstaltungen Ausweis- und Gesichtskontrollen durchzuführen?

Ist es vielleicht demokratisch, ausgerechnet einen FU-Studenten aus dem Iran daran zu hindern, Schönbohm zu hören und eventuell mit ihm zu diskutieren? Oder ist es demokratisch, einen weiteren Teilnehmer auf die Toilette zu zerren und dort zu zweit (zum Glück unter ZeugInnen) brutal auf ihn einzuprügeln? Das kann wohl kaum eine Diskussionsbasis sein! Judith Wolf, FU-Studentin,

Kath. Theologie/Judaistik