: Abschiebungen seit Jahren rechtswidrig
■ Briefträger händigen Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften Schriftstücke der Gerichte und Ausländerbehörden häufig nicht persönlich aus. Wegen der rechtsunwirksamen Zustellungen streiten sich nun
Zahlreiche Abschiebungen von Flüchtlingen sind in den letzten Jahren rechtsunwirksam vollzogen worden. Denn den Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften sind die förmlichen Schriftstücke der Ausländerbehörden nicht vorschriftsgemäß ausgehändigt worden. Das belegt ein Brief der Justizverwaltung an die Berliner Direktion der Deutschen Post AG, der der taz vorliegt.
Die Justizverwaltung moniert darin die Praxis von Postbeamten, Flüchtlingen Schriftstücke der Ausländerbehörden und Gerichte nicht persönlich auszuhändigen, sondern sofort beim Heimleiter oder Pförtner abzugeben. In dem Schreiben vom 4.Juni heißt es: „Die zur Zeit praktizierten Ersatzzustellungen sind unwirksam. Sie gefährden den ordnungsgemäßen Gerichtsbetrieb und können erhebliche Schäden verursachen.“
Auch bei der Massenabschiebung von bosnischen Flüchtlingen am 9./10. Juli war in einigen Fällen der Widerruf der Duldung gar nicht oder rechtsunwirksam zugestellt worden. Sie könnten bei der Ausländerbehörde den Rücktransport nach Berlin beantragen und bei einem ablehnenden Bescheid klagen. Auch dem Land Berlin entsteht Schaden. Pro Zustellung kassiert die Post 11 Mark. Insgesamt ergibt dies nach Schätzung eines Verwaltungsrichters einen sechsstelligen Betrag. „Eigentlich müßte das Land Berlin Schadensersatz fordern.“
Bei der Post steht hingegen die Fürsorge um die eigenen Mitarbeiter im Vordergrund. „Wir können es den Briefträgern nicht zumuten, durch die Häuser zu irren“, erklärte gestern die Pressesprecherin der Postdirektion, Barbara Scheil, zumal diese oft Geldsendungen bei sich trügen. Laut Zustellungsvorschrift müsse der Empfänger in Gemeinschaftsunterkünften auf Anhieb erreichbar sein, sonst könne der Heimleiter die Post ersatzweise in Empfang nehmen.
Doch sowohl die Justizverwaltung wie auch das eigens eingeschaltete Bundesinnenministerium vertreten die Rechtsauffassung, daß der Postbeamte zunächst versuchen muß, den Adressaten persönlich zu erreichen. Erst wenn dieser Versuch scheitert, dürfe die Post dem Heimleiter ausgehändigt werden.
„Da gibt es verschiedene Rechtsauffassungen“, stellte die Sprecherin der Post gestern fest. Noch im Oktober 1997 hatte es die Postdirektion gegenüber dem Verwaltungsgerichtspräsidenten abgelehnt, die persönliche Übergabe der Schriftstücke sicherzustellen. Dabei hatte das Bundesinnenministerium bereits 1994 mit der Deutschen Post AG Abhilfe vereinbart. So sollen Postboten u.a. Einsicht in die aktuelle Belegungsliste des Heimes erhalten.
Doch die Ansichten, wie intensiv sich der Postbeamte darum bemühen muß, gehen zwischen Justizverwaltung und Post nach wie vor auseinander. „Als Versuch gilt für uns, wenn unsere Postbeamten zum Heimleiter gehen und nach dem Empfänger fragen“, so Scheil. Der Heimleiter müsse den Postboten dann begleiten und ihm auch bei Verständigungsschwierigkeiten helfen. Häufig seien auch die Belegungslisten der Heimleiter nicht auf dem neuesten Stand oder der Heimleiter sei gerade nicht anwesend. Im Klartext: Ob ein Brief den Empfänger vorschriftsgemäß erreicht, hängt vom Einsatz der Heimleiter ab und nicht vom Eifer der Postbeamten. Dorothee Winden
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