■ In Niedersachsen belohnt die Metallbranche Teilzeitarbeitsplätze: Arbeitsmarktpolitischer Konsens
Es ist keine Sensation, wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften dazu bekennen, Arbeitzeit umverteilen zu wollen. Interessant wird es allerdings, wenn sie es gemeinsam tun. In Niedersachsen sind die Tarifparteien der Metallbranche nun übereingekommen, Anreize für mehr Teilzeitarbeit zu schaffen. In den Niederlanden verfährt man schon seit Jahren nach dem Prinzip: mehr Teilzeitarbeit, und allen geht es besser. Dort liegt die Teilzeitquote bei rund 36 Prozent, mehr als doppelt so hoch wie hierzulande. Jeder sechste Mann und zwei Drittel der Frauen arbeiten in den Niederlanden weniger als 35 Stunden in der Woche.
Legt man die Geschlechterquote für Niedersachsen zugrunde, werden die Hoffnungen auf das Teilzeitmodell zunächst abgeschwächt. In der dortigen Metallindustrie arbeiten 90.000 Menschen, achtzig Prozent von ihnen sind Männer. Und die halten bekanntlich wenig davon, auf einen Teil ihrer Arbeitszeit zu verzichten. Bei ihnen helfen weder arbeitsmarktpolitische Argumente noch Appelle an die Solidarität mit den Arbeitslosen. Sie müssen gelockt werden. Am besten mit Geld. Aus einem Fonds, in den Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzahlen, können Beschäftigte bis zu 12.000 Mark an Prämie erhalten, wenn sie ihre Arbeit um die Hälfte reduzieren. Auch dieses Mittel ist recht, wenn es nur hilft.
Im Gegensatz zu anderen Branchen kann es sich die Metallindiustrie leisten, in kleinen, unorthodoxen Schritten Wege aus der Arbeitsmarktkrise zu suchen. Die Auftragsbücher sind randvoll, es werden wieder neue Leute eingestellt. Beides sind die Voraussetzungen für die Teilzeitoffensive, die im kommenden Jahr starten soll. Zumal die Branche die Reserven mittlerweile ausgeschöpft hat, die etwa durch Flexibilisierung von Arbeitszeiten entstanden waren.
In der Zwischenzeit werden Gewerkschaftsfunktionäre nicht nur in Niedersachsen durch die Betriebe tingeln und predigen, daß nur ein Verzicht auf Arbeitszeit bei gleichzeitigen Neueinstellungen zu mehr Beschäftigung führt. Die Nord-Initiative hat gute Chancen, in anderen Landesteilen übernommen zu werden. Auch im Südwesten boomt die Branche. Und neben den guten wirtschaftlichen Daten stimmt im Moment zudem auch das Klima zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Gesamtmetall und die Gewerkschaftsspitzen pflegen den freundlichen Diskurs. In der Metallbranche deuten alle Anzeichen auf einen arbeitsmarktpolitischen Konsens – ganz wie in den Niederlanden. Annette Rogalla
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