: Streit um Kambodschas Wahlen
An freie und faire Wahlen glaubt in Kambodscha niemand. Doch EU-Beobachter sollen helfen, daß die Wahlen wenigstens einigermaßen glaubwürdig sind ■ Aus Phnom Penh Jutta Lietsch
Reihenweise warten weiße Dienstfahrzeuge vor den großen Hotels von Phnom Penh. Die Foyers sind gefüllt mit Gruppen von Ausländern mittleren Alters, die neue Taschen, mobile Telefone und Fotoapparate tragen. Nicht alle haben sich bislang dazu durchringen können, auch die T-Shirts anzuziehen, die sie als „Internationaler Wahlbeobachter“ oder „Beobachter der Europäischen Union“ ausweisen. Ihre Mission: Bei den ersten Parlamentswahlen in Kambodscha seit dem blutigen Putsch im Juli 1997 sollen sie am kommenden Sonntag so viele der 11.660 Wahllokale in den Tempeln und Schulen wie möglich besuchen, um festzustellen, ob die Wahlen „einigermaßen glaubwürdig“ verlaufen.
Noch bevor die Wahlurnen entsiegelt und aufgestellt sind, tobt schon ein heftiger Streit über den Sinn dieser Aktion: Vor allem US- amerikanische Politiker, das UN- Menschenrechtszentrum in Phnom Penh und kambodschanische Bürgerrechtler glauben, daß diese Wahlen „eine Farce“ sind und nur dazu dienen, der faktischen Diktatur des zweiten Premiers Hun Sen ein demokratisches Feigenblatt zu verleihen. Wie ein „Serienkiller“, sagt der Mitarbeiter einer deutschen Organisation in Phnom Penh, habe Hun Sen seit vergangenen Sommer politische Gegner gezielt töten lassen – ungestraft. Damit widerspricht der Deutsche der Einschätzung des deutschen Botschafters Harald Löschner, der schon kurz nach dem Putsch Hun Sen als „Staatsmann“ bezeichnete, der zu demokratischen Reformen bereit sei.
Ein weiterer Einwand der Kritiker: Die Opposition sei eingeschüchtert und habe nicht genug Zeit erhalten, um sich auf die Wahlen vorzubereiten. Ein Report des UN-Menschenrechtsbüros spricht von über 100 politischen Morden und systematischer Einschüchterung politischer Gegner. Das Fazit der Kritiker: „Freie, faire und glaubwürdige Wahlen“, wie sie ursprünglich von den internationalen Geldgebern Kambodschas gefordert wurden, „sind derzeit nicht möglich.“ Die 20 Millionen Mark, mit denen allein die EU den Urnengang finanziert, seien im besten Fall reine Geldverschwendung.
Auf der anderen Seite stehen die Vertreter einer „pragmatischeren“ Sicht. Sie glauben, die Wahlen seien die einzige Chance für eine demokratischere Entwicklung. Außerdem müsse man ja sehen, so ein Diplomat, daß in anderen Ländern noch schlimmere Menschenrechtsverletzungen geschehen. In der Tat konnten in den letzten Wochen zur großen Verblüffung der Skeptiker auch die oppositionellen Parteien in vielen Teilen des Landes frei ihre Kundgebungen abhalten.
„Ich benutze nicht gern den Begriff freie und faire Wahlen, weil das schon ein abgegriffenes Klischee ist“, sagt die britische EU- Parlamentarierin Glenys Kinnock. Sie leitet die 210köpfige EU-Wahlbeobachterdelegation. Gemeinsam mit Delegierten aus den südostasiatischen Asean-Ländern und aus China, Kanada und der Schweiz bilden sie die knapp 500 Personen umfassende „Gemeinsame Internationale Beobachtergruppe“. Unabhängig davon haben zwei US-Parteiinstitute Beobachter geschickt. Dazu kommen 40 Vertreter von Menschenrechtsorganisationen vor allem aus Asien und über 10.000 Mitglieder zweier respektierter Bürgergruppen in Kambodscha.
Wie schwierig ihre Aufgabe wird, erfuhren die Wahlbeobachter erst wieder in den letzten Tagen: Nachdem die Wahlkommission zunächst verfügt hatte, daß in jedem Wahllokal nur vier Kontrolleure zugelassen werden, müssen sie nun befürchten, daß sie keinen Zutritt erhalten: Den plötzlich tauchten 60.000 kambodschanische „Menschenrechtler“ auf, die offenbar aus der Armee und der Partei Huns Sens nahestehenden Organisationen rekrutiert wurden. „Wenn die schon drin sind, wenn wir kommen, haben wir keine Chance“, meint ein deutscher Beobachter.
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