: Prämien für mehr Teilzeitarbeit
Wer weniger arbeiten will, soll belohnt werden. Eine entsprechende Vereinbarung haben die Metall-Tarifparteien in Niedersachsen beschlossen. Ein Modellversuch ■ Von Jürgen Voges
Als „Beweis für den Ideenreichtum der Tarifpolitik beim Abbau der Arbeitslosigkeit“ lobte gestern der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel den Tarifabschluß zu Beschäftigungssicherung und Altersteilzeit, auf den sich der niedersächsische Verband der Metallindustriellen und die IG Metall am Mittwoch in ihrer zehnten Verhandlungsrunde geeinigt hatten. Der ambitionierte hannoversche IG-Metall-Bezirksleiter Jürgen Pertes habe sich in dem langwierigen Tarifpoker nicht darauf beschränkt, auch für 90.000 Beschäftigte der niedersächsischen Metallindustrie die in den übrigen westdeutschen Tarifbezirken bereits geltende Altersteilzeitregelung durchzusetzen, sondern auch erneut „ein Experiment für mehr Beschäftigung“ angeschoben.
Um unter den Arbeitnehmern die Bereitschaft zur freiwilligen Arbeitszeitverkürzung, zur Teilzeitarbeit, zu erhöhen, haben die Tarifparteien am Mittwoch nachmittag die Gründung eines Vereins zur Förderung der Beschäftigung in Niedersachsen vereinbart. Die Arbeitgeberseite verpflichtet sich, aus dem Vermögen des Verbandes der Metallindustriellen zehn Millionen Mark an den Verein zahlen. Aus dem Fonds sollen Arbeitnehmer Prämienzahlungen erhalten, die freiwillig ihre Arbeitszeit reduzieren und dadurch Neueinstellungen in der Metallindustrie Niedersachsens ermöglichen. Als Größenordnung einer Bonuszahlung für die Umwandlung der eigenen Vollzeit- in eine Halbtagsstelle nannte der Hauptgeschäftsführer der niedersächsischen Metallindustriellen, Dietrich Kröncke, 12.000 Mark. Für die Bereitstellung der 10 Millionen Mark hat die IG Metall der Streichung einer Tarifklausel zugestimmt, nach der alle Beschäftigten bislang monatlich 2,50 Mark als Erstattung für Kontoführungsgebüren erhalten.
Der Verein, für den sich Peters den Namen „Verein Bündnis für Arbeit“ gut vorstellen könnte, soll auch Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung benachteiligter Jugendlicher und deren Ausbildung in der Metallindustrie fördern. Bei allem ist nach Angaben von Peters eine enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung und staatlichen Stellen geplant. Vor der Vereinsgründung müssen beide Seiten allerdings in weiteren Gesprächen noch zahlreiche Details, wie etwa die Höhe der Teilzeitprämien oder etwaige Rückzahlungspflichten bei Rückkehr auf eine Vollzeitstelle, klären.
Außerdem stehen den geplanten Teilzeitprämien nach Auffassung beider Seiten zur Zeit noch steuerliche Hindernisse entgegen – nach der gegenwärtigen Rechtslage müßten sie voll als Einkommen versteuert werden. Nach Einschätzung der Arbeitgeberseite kann deswegen das zunächst für ein Jahr geplante Pilotprojekt „erst im Laufe des kommenden Jahres anlaufen“.
In der niedersächsischen Staatskanzlei ist man über das neue Projekt des IG-Metall-Bezirksleiters bereits seit einiger Zeit informiert. Die Frage, ob man für freiwillige Arbeitszeitverkürzung nicht die Prämien steuerfrei zahlen kann, hat das niedersächsische Finanzministerium schon im Vorfeld verneint. Immerhin erklärte ein Sprecher der Staatskanzlei in Hannover gestern, Gerhard Schröder begleite das gesamte Projekt mit Wohlwollen, ebenso wohlwollend prüfe man die Frage eines Beitritts der Landesregierung zu dem neuen Verein zur Beschäftigungsförderung. Auch die Forderung, die Prämien für eine Reduzierung der Arbeitszeit den von der Steuer befreiten Abfindungen beim Verlust des Arbeitsplatzes gleichzustellen, werde gegenwärtig geprüft. Es sei allerdings zweifelhaft, ob Niedersachsen in dieser Angelegenheit noch vor der Bundestagswahl im Bundesrat aktiv werden könne. Das Bundesarbeitsministerium wollte sich gestern zu dem neuen Projekt eines Beschäftigungsvereins der Tarifparteien nicht äußern.
Klaus Zwickel forderte die Arbeitgeber in den anderen Regionen auf, das neue Modell zu unterstützen. Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen