■ Verband der „Romafrauen im öffentlichen Leben“ kämpft in Ungarn gegen entwürdigendes Image: Männliche Aufpasser bei der Frauenversammlung
Für die Vereinsvorsitzende Blanka Kozma ist es keine Frage, welches Ziel bei den „Romafrauen im öffentlichen Leben“ vorne ansteht: Das negative Bild der Romafrauen in der ungarischen Öffentlichkeit zurechtzurücken. Blanka Kozma: „Romafrauen werden üble Dinge nachgesagt. Es heißt, sie seien schmutzig, würden viele Kinder gebären, nur betteln und nichts arbeiten wollen, ja sogar die Leute betrügen.“
Seit drei Jahren gibt es die ungarische Vereinigung „Romafrauen im öffentlichen Leben“. Sie wurde im April 1995 in Budapest gegründet. Die Initiatorin Blanka Kozma hatte für diese Idee lange werben müssen, bis sie genügend Mitstreiterinnen fand. Der Zusammenschluß der Romafrauen ist Ausdruck ihrer wachsenden sozialen Probleme, aber zugleich Ausdruck eines neuen Selbstbewußtseins der Romaminderheit in Ungarn.
In sozialistischen Zeiten wurden die Roma nie als kulturell eigenständiger Teil der Bevölkerung behandelt. Offizielle Statistiken fragten nicht nach dieser Minderheit, die rund fünf Prozent der ungarischen Bevölkerung ausmacht. Seit dem Ende des sogenannten sozialistischen Regimes auch in Ungarn, seit 1989, hat sich die Situation der Roma drastisch verschlechtert: In Ungarn liegt die Arbeitslosigkeit derzeit offiziell bei rund vierzehn Prozent. Für die Roma liegen keine amtlichen Zahlen vor. Nach Schätzungen ist sie mindestens dreimal so hoch. „Die Drecksarbeit, die die Romafrauen gemacht haben, machen jetzt andere“, sagt die Verbandsvorsitzende. Einige konnten ihre schlechtbezahlten Stellen behalten, zum Beispiel in den Großküchen des Gesundheitsbereichs oder als Putzfrauen. Viele arbeiten schwarz, weil es jetzt so wenig „offizielle Arbeit“ gibt, sagt sie. „Die Männer tun oft nichts, weil sie zusammengebrochen sind. Die Frauen können sich das nicht erlauben, weil sie die Familie ernähren müssen.“
Als die neu gegründete Romafrauen- Organisation 1995 ihre Arbeit aufnahm, wurden auch Männer eingeladen, und bis heute nehmen immer einige Männer an den Frauenversammlungen teil. Als Grund geben sie an, sie seien „eifersüchtig“ und müßten auf ihre Frauen „aufpassen“. Sie auszuschließen kann sich der Verband nicht leisten. Die Männer würden sonst nur innerhalb der Romagemeinden gegen den Verband Stimmung machen.
Laut Satzung verfolgt die RomafrauenOrganisation drei Hauptziele: Erstens die schon eingangs erwähnte Arbeit am Image der Romafrauen in der Öffentlichkeit. Zweitens werden Seminare und Kurse für Romafrauen angeboten, damit sie ihre politische Rolle im öffentlichen Leben effektiver gestalten können. Doch es ist äußerst schwierig, dafür Geld zu beschaffen. Häufig stammen die Mittel von ausländischen Institutionen, wie der US-amerikanischen „League of Women Voters“ oder der kanadischen Botschaft. Drittens will sich die Organisation mit den sozialen Problemen beschäftigen – Armut, Arbeitslosigkeit, Jugendschutz und Wohnungsnot.
Die Lebenssituation der Romafrauen zu verbessern, ist derzeit eine fast unlösbare Aufgabe. Da die Männer arbeitslos sind, wird die Arbeitslosigkeit der Frauen nur als Nebensache behandelt. Da schon die Jungen keine Schulausbildung bekommen und erst recht keine Lehrstelle, fragt niemand mehr nach den Romamädchen. Auch die Themen Gewalt und sexuelle Mißhandlung in der Familie werden als Tabu behandelt.
Denn der Familienzusammenhalt steht an oberster Stelle, auch für die Frauen und Mädchen. Und oft genug müssen sich die Romaverbände gefallen lassen, daß ihre Familien zerrissen werden. Unter den rund 25.000 Heimkindern in Ungarn sind die meisten Roma. Die Kinder werden von der Fürsorge eingewiesen, weil sie als verwahrlost oder gefährdet gelten. In vielen Familien wächst schon die dritte Generation von Kindern im Heim auf, und sie wiederholen damit das Schicksal ihrer Eltern und Großeltern.
Schon 1995 als einer der ersten Aktionen wandte sich daher der RomafrauenVerband mit einer Petition an das ungarische Parlament. Anstatt teuere Heimplätze zu finanzieren, so heißt es darin, sollte das Geld lieber den Familien zur Verfügung gestellt werden. Bisher brachte die Petition keinerlei Erfolg.
Der Verband der „Romafrauen im öffentlichen Leben“ hat inzwischen rund 160 Mitglieder, verteilt auf rund fünfzig aktive Gruppen im ganzen Land – eine Zahl, die die Vorsitzende als großen Erfolg wertet. Trotz aller Hindernisse gibt es auch deutliche Anzeichen für ein neues Selbstbewußtsein unter den Romafrauen. Im letzten Jahr veranstaltete der Verband erstmals ein Training für Geschäftsfrauen. Dreißig Romafrauen nahmen daran teil. Ute Kätzel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen