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Wenn der Regen ausbleibt, gehen die Lichter aus

■ Warum westafrikanische Länder immer wieder im Dunkeln sitzen. Ein Lehrstück über die Folgen von Fehlplanungen und der Vernachlässigung von Infrastruktur in Entwicklungsländern

Natürlich ist El Niño schuld. Hätte es dieses Jahr, und letztes Jahr und das Jahr davor, in Westafrika mehr geregnet, wäre im Volta-Stausee in Ghana mehr Wasser, die Turbinen des Wasserkraftwerks Akosombo könnten mehr Strom produzieren und es säße nicht halb Westafrika monatelang im Dunkeln.

Aber es liegt nicht am ausbleibenden Regen allein, daß Westafrika dieses Jahr wegen ständiger Stromausfälle an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs geschlittert ist. Oder soll man es dem Regen zuschreiben, wenn Kraftwerke nicht rechtzeitig fertig werden, schlechtes Material importiert wird oder bei der Überholung verlorengeht und die vielfältigen vorhandenen Energiequellen nicht genutzt werden?

Gegen Jahresanfang wurde der Strom in Ghana wieder einmal knapp. Es wunderte niemanden, denn die Regierung hatte schon Ende 1997 Stromrationierungen angekündigt. Die staatseigene „Volta River Authority“, die den Volta-Staudamm besitzt – zusammen mit dem Kraftwerk von Akosombo erzeugt er fast den ganzen Strom Ghanas –, hatte im Oktober gewarnt: Der Wasserstand am Damm liege nur noch bei 248 Fuß, zehn Fuß weniger als 1996 und nur noch 6,5 Fuß (rund 2 Meter) höher als der kritische Wert von 241 Fuß, ab dem die Generatoren nicht mehr richtig arbeiten können.

Aber dann blieb in den Anfangsmonaten von 1998 die kleine Regenzeit aus. Das Wasserniveau sank weiter. Die Kraftwerkskapazität, die bei maximaler Leistung 912 Megawatt am Tag beträgt, lag bald nur noch bei 300 Megawatt. Nicht nur in Ghana gingen die Lichter aus, sondern auch in den östlichen Nachbarländern Togo und Benin, die von ghanaischen Stromimporten abhängig sind. In Benin gab es Strom bald nur noch für drei Stunden am Tag. In Togos Hauptstadt Lomé gab es abwechselnd sechs Stunden Strom und dann dreißig Stunden Ausfall.

Die Krise beschränkte sich nicht auf diese drei Länder. Die westlich von Ghana liegende Elfenbeinküste, die sich als zukünftiger Wirtschaftsriese des frankophonen Westafrika sieht, versprach, mit Stromlieferungen einzuspringen, und scheiterte kläglich. Die anglophone Regierung Ghanas suchte Schuldige für ihr Stromproblem und giftete, mit französischer Entwicklungshilfe würde der Volta- Fluß im nördlichen Nachbarland Burkina Faso aufgestaut, so daß für Ghana zuwenig Wasser übrigbliebe. Ab April beschäftigten sich Krisengipfel der Region mit der Strom- und Wasserdiplomatie.

Einige Länder verfielen derweil auf Notlösungen für das Energieproblem. Die Regierung Ghanas borgte sich 67 Millionen Dollar aus den USA, um von einem US-Konzern zwei schwimmende Kraftwerke für den Volta-See zu kaufen. Togo und Benin beschlossen, jeweils eine Gasturbine zu kaufen.

Aber damit kamen erst die tieferliegenden Probleme ans Tageslicht, die eine rationale Energiepolitik in Westafrika verhindern. Während Togo aus den drei Gasturbinenangeboten das billigste wählte, entschied sich Benins Regierung aus politischen Gründen für die teurere, französische Turbine. Die Regierung Benins beschloß zudem, 17 Stromerzeugungsaggregate zu importieren – und zerstritt sich solange über die Finanzierung dieser Anschaffung, bis der Premierminister zurücktrat. In der Zwischenzeit baute die staatliche Elektrizitätsgesellschaft SBEE mit den zehn gelieferten Aggregaten Mist: Eine Regierungskommission inspizierte neun der zehn Aggregate und fand heraus, daß sie alle unbekannten Ursprungs seien und daher bei Ausfällen nicht repariert werden könnten. Eine Mittelsfirma aus Nigeria hatte sie geliefert und vorher die Originalplaketten entfernt. Damit die Geräte neu aussehen, waren sie angestrichen worden. Einer der Aggregate ging schon nach vier Tagen Einsatz kaputt.

Solche Pannen sind in der Region nicht neu. Die ghanaische Stromgesellschaft verlor vor zwei Jahre 44 Transformatoren, als sie diese zur Überholung nach Nigeria schiffte. Die Reparaturfirma verlangte fette Vorauszahlungen; als sie geliefert waren, löste die Firma sich mit den ghanaischen Transformatoren in Luft auf.

Inzwischen hat zwar die Regenzeit eingesetzt. Aber selbst Ghanas Regierung rechnet nicht damit, daß die Stromkrise vor Jahresende gelöst werden kann. Der Wasserstand in Akosombo lag im Juli beim historischen Tiefststand von 237 Fuß. Und ein beninischer Experte warnte: Selbst wenn es kräftig regnen würde – der Volta-Stausee sei völlig versandet.

Langsam rächt sich, daß ausgerechnet im trockensten Kontinent der Welt zwei Drittel der Elektrizität aus der Wasserkraft kommen – mit steigender Tendenz. Dabei würde allein das Erdgas, das auf Nigerias Ölfeldern seit Jahrzehnten nutzlos und umweltschädigend in großen Mengen abgefackelt wird, Westafrikas Energieversorgung mehr als sichern.

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