Kommentar
: Anbiederungsrhetorik

■ Rezzo Schlauch und Cem Özdemir akzeptieren Asylrechtsänderung

Die Bündnisgrünen, das teilten die beiden Baden-Württemberger Rezzo Schlauch und Cem Özdemir der Öffentlichkeit am Wochenende mit, akzeptieren die Grundgesetzänderung des Asylrechts. Man werde keine Revision der faktischen Abschaffung des Artikels 16 mehr anstreben. Wieso eigentlich nicht? Es sind schließlich zwei unterschiedliche Paar Schuhe, ob man etwas anstrebt oder ob man davon ausgeht, das Angestrebte wird realistischerweise auch dann nicht zu erreichen sein, wenn man selbst Teil der Bundesregierung ist. Wollen der innen- und der migrationspolitische Sprecher der Partei uns zeigen, wie realitätstauglich sie sind, oder wollen sie uns mitteilen, die Grünen seien nun auch der Meinung, es sei richtig gewesen, das Grundrecht auf politisches Asyl aus der Verfassung zu eliminieren?

Es ist schon ein Kreuz mit den grünen WahlkämpferInnen. Wieder einmal wird ohne Not Porzellan zerschlagen. Kein Mensch hätte ernsthaft erwartet, daß Rot- Grün in der Lage wäre, im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zusammenzubekommen, um das Asylrecht wiederherzustellen. Was man erwarten kann, ist, daß eine Partei ihr Fähnchen nicht in jeden Wind hängt. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist in Deutschland alles andere als populär. Bei der derzeitigen Stimmung kann sich jeder Politiker des Beifalls gewiß sein, der dumme Sprüche über „die Ausländer“ klopft. „In der Flüchtlingsfrage bläst uns der Sturm ins Gesicht, aber wir fallen nicht um“, behauptet Joschka Fischer bei seinen Wahlkampfauftritten. Warum dann diese ungefragte Anbiederungsrhetorik, wenn es wahrhaftig schwer genug ist, gegen den momentan herrschenden Trend überhaupt noch ein paar humanitäre Standards für Flüchtlinge aufrechtzuerhalten?

Der Ton macht die Musik. Wer sich so devot nach vorne drängt, dem glaubt man auch nicht mehr, daß er in den anderen, von Schlauch und Özdemir genannten Punkten, noch viel Offensivkraft aufzuweisen hat. Mit einer humanen Flüchtlingspolitik, das zeigt der Rückkehrzwang für Bosniaken und die Debatte um mögliche neue Flüchtlinge aus dem Kosovo, ist derzeit an der Wahlurne nicht zu punkten. Um so wichtiger ist es, zu zeigen, daß gerade Fragen der Humanität nicht der politischen Opportunität unterliegen. Bislang konnte man bei den Grünen davon ausgehen – schade, daß sie nun Anlaß zu Zweifeln geben. Jürgen Gottschlich

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