: Rechnung mit einer Unbekannten
■ Die Zweitwohnungssteuer sollte mehr Geld in die Landeskasse bringen. Jetzt aber droht ihretwegen ein neues Haushaltsloch
Bei der Einführung einer Zweitwohnungssteuer übersteigen die Verluste für die Landeskasse möglicherweise die Einnahmen. Denn auch vier Tage vor dem Stichtag ist noch völlig offen, ob nach der Bereinigung des Melderegisters unterm Strich mehr oder weniger Menschen mit erstem Wohnsitz in Berlin gemeldet sind. Sollte die Zahl sinken, gehen auch die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich zurück. In diesem Fall könnte sich die Zweitwohnungssteuer nach Angaben von Eckard Schumann von der Oberfinanzdirektion „verheerend auswirken.“
Grund für die Befürchtungen ist der mangelnde Postrücklauf auf die Versendung der Steuerformulare. Von 218.000 Schreiben, die die Oberfinanzdirektion in den vergangenen Monaten verschickt hat, sind 60.000 ungeöffnet zurückgekommen. Wenn diese 60.000 Einwohner bislang zwar mit ihrem Hauptwohnsitz in Berlin geführt wurden, in Wirklichkeit aber ihren Hauptwohnsitz längst in einer anderen Stadt haben, gingen sie der Hauptstadt im Finanzausgleich verloren. Unklar ist jedoch, wie viele der unbeantworteten Briefe an Hauptwohnsitze in Berlin oder in andere Städte gingen.
Pro Einwohner mit Erstwohnsitz erhält das Land aus dem Finanzausgleich und der Lohn- oder Einkommenssteuer durchschnittlich 5.500 Mark, wie der Sprecher der Finanzverwaltung, Dirk Wildt, erläuterte. Von der Zweitwohnungssteuer erhofft sich Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), daß viele ihre Zweitwohnung in eine Erstwohnung ummelden und damit die Einnahmen aus Steuern und aus dem Finanzausgleich steigen.
Das hat in Ansätzen auch schon funktioniert. Knapp 15.400 Nebenwohnungen wurden bis Juni abgemeldet, davon 4.900 zur Hauptwohnung umgemeldet. Das bedeutet für Berlin Mehreinnahmen von 25 Millionen Mark. Insgesamt rechnet die Finanzsenatorin mit 50 Millionen Mark, die sie künftig pro Jahr zusätzlich verbuchen kann. Dazu sollen noch fünf bis zehn Millionen Mark aus der Zweitwohnungssteuer kommen, die fünf Prozent der Kaltmiete beträgt.
Diese Rechnung wurde jedoch mit einer Unbekannten gemacht: den Karteileichen im Landeseinwohneramt. Wenn allein 10.000 der 60.000 unbeantworteten Briefe zu Menschen gehören, die bislang irrtümlich mit ihrem ersten Wohnsitz in Berlin registriert waren, verliert das Land 55 Millionen Mark.
Die 60.000 Unbekannten wurden jetzt noch einmal unter ihrer Zweitwohnsitz-Adresse angeschrieben. Erst in den nächsten Monaten, wenn auch die eingereichten Steuerformulare ausgewertet sind, werden die Zahlen feststehen. Ziel der Finanzverwaltung, so Sprecher Wildt, sei es aber auch gewesen, „im Melderegister aufzuräumen“. Das ist in jedem Fall geglückt. Jutta Wagemann
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