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Kritik an geplanter Abschiebung in NRW

■ Morgen schiebt Nordrhein-Westfalen rund 80 straffällige Kosovo-Albaner und Serben nach Belgrad ab. Flüchtlingsinitiativen befürchten, daß die Albaner dort als Anhänger der UCK-Untergrundarmee eingest

Bochum (taz) – Für etwa achtzig Serben und Kosovo-Albaner steht die Abschiebung unmittelbar bevor. Trotz der Gewalteskalation in der Unruheprovinz Kosovo will das NRW-Innenministerium nach einmonatiger Pause wieder Flüchtlinge in das ehemalige Jugoslawien ausfliegen. Der Transport soll am 29. Juli vom Düsseldorfer Flughafen Richtung Belgrad starten.

„Dabei handelt es sich um Serben und Straftäter jeder Nationalität“, teilte das NRW-Innenministerium mit. Nach den Erfahrungen des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes sei für die abgeschobenen Kosovo-Albaner eine Gefährdung in Belgrad auszuschließen. Für die Evangelische Flüchtlingsberatungsstelle in Düsseldorf ist das ein Skandal. „Auch Kriminelle darf man nicht in Kriegsgebiete schicken“, so Claus-Ulrich Prölß, Sprecher der Beratungsstelle. Gerade abgeschobene Kosovo-Albaner seien in Belgrad besonders gefährdet. Sie müßten damit rechnen, als Unterstützer der UCK angesehen und behandelt zu werden. Gemeinsam mit der Beratungsstelle fordert der Wuppertaler Rechtsanwalt Kalle Bartens-Winter, die Abschiebung zu stoppen. Selbst Bayern habe kürzlich eine Massenabschiebung aufgehalten. Rechtlich sei das möglich: „Jedes Land kann die Abschiebungen für sechs Monate unabhängig vom Bund aussetzen.“

Doch das NRW-Innenministerium sieht dafür keinen Grund. Es werde lediglich an der üblichen Praxis festgehalten. Seit 1997 wurden 1.119 Jugoslawen, darunter 816 Kosovo-Albaner ausgeflogen. Die Sprecherin der Behörde, Lydia Jendryschik, beruft sich auf einen bundesweiten Konsens unter den Innenministern, Straftäter unter den Asylbewerbern sofort auszuweisen. Eine Ansicht, die von den Flüchtlingsinitiativen attackiert wird. Nach geltendem Recht sei es unmöglich, Bagatelltäter eindeutig von Straftätern zu trennen.

„Da können Leute wegen Lappalien abgeschoben werden“, so Jens Watenphul vom Flüchtlingsrat Oberhausen. Bereits durch mehrmaliges Schwarzfahren würde man zum Kriminellen abgestempelt und transportwürdig. Dieter Wendorff, Sprecher des Justizministeriums, verteidigt das Vorgehen. Erst ab einer Strafe von mindestens 50 Tagessätzen gelte man als Krimineller. „So eine Strafe bekommt man nur bei einer gravierenden Tat.“

Für Rechtsanwalt Bartens-Winter ist das Unsinn. „50 Tagessätze kann ein Asylbewerber bei dem geltenden Ausländerrecht verdammt schnell bekommen.“ Es reiche aus, wenn jemand zum dritten Mal seinen Freund unangemeldet in einem 100 Kilometer entfernten Ort besucht und so seinen zugewiesenen Aufenthaltsbezirk verläßt. Wieviele Kosovo-Albaner wegen Schwarzfahrens oder unerlaubter Besuche abgeschoben werden, konnte das Innenministerium nicht mitteilen. „Das interessiert uns auch gar nicht“, so Sprecherin Jendryschik. Weniger die Qualität der Tat als vielmehr die Strafhöhe von 50 Tagessätzen sei entscheidend. David Schraven

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