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Yaam wieder ohne Gelände

Maximal bis zum Sommerende kann der multikulturelle Jugendclub in der Cuvrystraße bleiben. Dann muß erneut umgezogen werden. Doch wohin, weiß niemand  ■ Von Vanessa Erhard

Die Zeit wird knapp für den Yaam-Club. Wenn Ende der Woche der Vertrag mit dem Grundstückseigentümer, der Bodentreuhand- und Verwaltungs-AG (Botag), abläuft, muß der multikulturelle Jugendclub das Gelände an der Cuvrystraße in Kreuzberg räumen. Auf dem 10.000 Quadratmeter großen Areal soll Anfang nächsten Jahres ein Einkaufszentrum entstehen. Die Veranstalter versuchen jetzt, die Frist um einen weiteren Monat zu verlängern.

Im Yaam treffen sich türkische, arabische, schwarze und deutsche Jugendliche täglich zum Street- und Basketball. Abends gibt es Hip-Hop- und Reggaeveranstaltungen. Am Wochenende kommen bis zu 2.000 Menschen auf das Gelände. Es gibt Musik, Spiele und Workshops. „Der August ist der wichtigste Monat für uns“, erklärt Alioune Beye, der Organisator des Yaam. „Durch die Ferien und das gute Wetter sind die Einnahmen in dieser Zeit am besten.“ Nur so könnte der Club seine Mietschulden abbezahlen.

Ob es eine Fristverlängerung für den Club geben wird, hängt von der Unterstützung des Bezirksamtes Kreuzberg ab. Gibt die Behörde ihr Einverständnis, so ist die Botag bereit, dem Yaam das Gelände einen weiteren Monat zur Verfügung zu stellen. „Die Botag war immer sehr loyal“, so Ortwin Rauh, Chef des Kult e.V., dem Trägerverein des Yaam. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) sagte gestern der taz, daß er einer Verlängerung zustimme und dies auch Ernst Hollmann von der Botag mitgeteilt habe. Die Chancen stehen also gut für das Yaam. Schulz selber hatte das Gelände an der Cuvrystraße vor einem Jahr als Übergangslösung vorgeschlagen. Damals mußte der Club das ehemalige Busdepot an der Treptower Eichenstraße wegen Mietschulden verlassen.

In den letzten Monaten regte sich jedoch auch Widerstand im Kreuzberger Bezirksamt. Vor allem die Umweltbehörde würde das Yaam aufgrund regelmäßiger Ruhestörungen lieber heute als morgen geschlossen sehen. „Bei der Behörde steht unsere inhaltliche Arbeit nicht im Vordergrund“, beschwert sich Rauh. „Für die sind wir einfach lästige Krawallmacher.“ Dabei hat das Yaam seinen Lärmpegel schon runtergeschraubt. DJs müssen sich vor ihrem Auftritt schriftlich für die Lautstärke der Veranstaltung mitverantwortlich zeigen. Ab 22 Uhr ist Ruhe.

Wie es mit dem Yaam nach der Sommersaison weitergeht, steht in den Sternen. Noch ist dem Club kein passendes, erschwingliches Gelände in Kreuzberg oder Friedrichshain angeboten worden. Ortwin Rauh fühlt sich vor allem von den Grünen in den beiden Bezirksämtern im Stich gelassen: „Die Sozialpolitiker sollten uns doch unterstützen!“

„Wir treffen uns hier jeden Nachmittag“, erzählt der fünfzehnjährige Ibo Aydin. „Wenn es das Yaam nicht mehr gibt, werden wir alle wieder auf den Straßen rumhängen. Dann gibt es sicher wieder Ärger.“

„Es gibt in dieser Gegend weit und breit keinen Aufenthaltsort für Jugendliche. Wenn es das Yaam nicht mehr gibt, werden sie aus lauter Langeweile auf dumme Gedanken kommen“, befürchtet auch Wolfgang Janzer, der mit seiner Frau Marta Galvis das „Fusion“, einen gemeinnützigen Verein für interkulturelle Projekte, gegründet hat.

Das „Fusion“ hat in den letzten Monaten auf dem Gelände des Yaam äußerst erfolgreiche Jugendarbeit geleistet. Ziel des ehrenamtlich tätigen Ehepaares ist es, die Jugendlichen durch künstlerische Arbeit zusammenzuführen und sie mit den großen Events der Stadt in Verbindung zu bringen. So haben sie sich aktiv am Karneval der Kulturen und der Love Parade beteiligt. Für letztere hatten sie in wochenlanger gemeinsamer Arbeit einen eigenen LKW gestaltet. „Es war unglaublich, wie Kreuzberger und Marzahner Jugendliche gemeinsam an dem Projekt arbeiteten“, berichtet Marta Galvis de Janzer.

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