: Es war diesmal wieder ein guter Jahrgang
■ Neun MeisterschülerInnen der Bremer Hochschule für Künste zeigen ihre Kunst in der Städtischen Galerie
Die Städtische Galerie und die Bremer Hochschule für Künste hinken schon wieder hinterher. Vor etwa vier Wochen haben die MeisterschülerInnen des Jahrgangs 1998 an der Hochschule ihren Abschluß gemacht. Doch erst jetzt zeigt die Galerie im Buntentor Kunst von den 1997er-AbsolventInnen. „Das mit der Verspätung war schon immer so, aber es ist ein bißchen merkwürdig“, sagt Meisterschüler Jörg Bloem in der ihm eigenen Langmut. Ins Hochdeutsche übersetzt heißt das: „Eigentlich ist das 'ne Sauerei, völliger Quatsch, Blödsinn, die Meisterschüler mehr als ein Jahr danach für eine Ausstellung zusammenzutrommeln.“ Das ist vielleicht der Grund, warum ein neonblaues Fragezeichen auf dem Dach des Windfangs leuchtet.
Gleichwohl muß 1997 ein guter Jahrgang gewesen sein. Zumindest sind die neun AbsolventInnen, die nach ihrem Kunststudium noch ein Jahr als MeisterschülerInnen bei den Professoren Greune, Schmitz und Co. dranhängen durften, alle philosophisch beschlagen. Das fängt schon mit dem Ausstellungstitel „.Weiter“ (sprich: Punkt weiter; steht ungefähr für: Lebensabschnittsendegefahrenbewältigungsoptimismus) an und hört in der am kommenden Samstag eröffnenden Ausstellung schon gar nicht auf.
Gleich im Eingangsbereich läßt Jörg Bloem seine Neonschriften flackern. Das Wort „WIRKLICHKEIT“ leuchtet da und zerlegt sich prompt in die Segmente „WIR“ und „ICH“. Weiter oben hat die Druckgraphikerin (und studierte Philosophin!) Gerten Goldbeck unter anderem ein Regal Einweckgläser mit angesengten Briefen aufgestellt und zitiert unter anderem Ludwig Wittgenstein („Nur im Fluß des Lebens hat die Sprache ihre Bedeutung“). Weiter hinten schließlich hängen Uwe Martins Tuschebilder von bunten und unmöblierten Räumen, und auf den Rahmengläsern befinden sich scheinbar wahllos gesetzte Wortcluster. Doch so wie Bloem mit Worten spielt und Goldbeck ihre installierten Erinnerungen ernst nimmt, hat auch Uwe Martin seinen Hintersinn.
Memosyne (oder so ähnlich) heißt das Denk- und Merkverfahren aus der griechischen Antike, auf das Martin anspielt. Und das geht so: Man entwerfe ein Phantasiehaus und ordne jedem Raum Buchstaben, Worte oder ganze Texte zu. Und man erinnere sich bei jedem Spaziergang durch das imaginäre Haus daran, wo welche Textteile abgelegt sind. „Ovid vorwärts und sogar rückwärts konnten die sich so merken“, behauptet Uwe Martin. Und er sagt: „Kunst hat viel mit Erinnerung zu tun.“ Bodo Günnemann, der sich mit seinen Holz-skulpturen und Reusen direkt auf Renaissance-Ideale bezieht, sagt: „Kunst muß Distanz einnehmen.“ So reden sie und halten sich sogar daran.
Jörg Heinrich malzeichnet „Gedankenschaften“. Das ist eine Mischtechnik unter anderem mit Herzen, etwas dramatischem Rot und Schriftfetzen und geht glatt als visualisierte Erinnerung durch. Ursula Walz kombiniert in dieser Ausstellung Keramik (genauer: Fayence) mit dem Spiel „Himmel und Hölle“ und mit figürlichen Skizzen. Young-Jin Park reflektiert in zwei Installationen darüber, wie viel Koreanisches sie nach Europa mitgebracht hat. Und Nora Husmann spricht in ihren zweidimensionalen Bildern eine Zeichensprache, die sich aus Phantasiesymbolen, Silhouetten, Tieren und exotischen Zeremonienmeistern zusammensetzt.
So puzzeln sie im eigenen und kollektiven Gedächtnis, und High-Tech hilft ihnen nicht dabei. Bei diesen MeisterschülerInnen flimmert kein Computer- oder Video-bildschirm. Dafür sind (irgendwie doch wieder) expressionistische Bilder mit den Titeln „Berglandschaft“ oder „Neuschnee im Gebirge“ zu sehen. Und sie zeigen sogar so etwas ähnliches wie Neuschnee im Gebirge – zumindest einen Zustand, in dem Perspektiven, Kontraste und Farben völlig durcheinandergeraten. „Ich bin Maler“, sagt ihr Urheber Markus Rabe, „und ob ich der letzte oder erste Maler bin, ist mir beim Malen egal.“
Egal? Egal. Punkt – weiter. ck
„.Weiter“ – MeisterschülerInnen der Hochschule für Künste Bremen; vom 2. bis zum 30. August in der Städtischen Galerie im Buntentor. Eröffnung: Samstag, 1. August, 19 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen