: Der preußische Entertainer
Seiner Zeit voraus: der Schlagersänger, Clubbesitzer und Romancier Rocko Schamoni ■ Von Christoph Schomberg
Neustadt. Hier gibt es jede Menge Teures, Galerien, an den Fleeten haben sich die Handy-Junkies schicke Lofts eingerichtet. Hier soll Rocko Schamoni wohnen? Doch, doch, die Adresse stimmt. Ganz oben unterm Dach. Die Wohnungstür ist aus Stahl. Schön lauter Dancefloor verschluckt das Geräusch der mickrigen Türklingel. Erst nach zwei Minuten öffnet Rocko Schamoni. Durch den Flur, der mit allerhand Devotionalien des einst von ihm geführten Pudel-Clubs geschmückt ist, geht es in sein Zimmer. Was für ein Raum: Fein säuberlich türmt sich hier musikalisches Equipment, Keyboards, Verstärker, fünf Gitarren und Bässe, vor dem Bett steht ein Schlagzeug, Schallplatten, CDs, ganz obenauf liegt eine LP von Heaven 17, The Luxury Gap. Das Fenster ist für die Größe des Raumes zu klein. „Zu dunkel“ sei es hier, findet Rocko. Die Ordnung, die hier herrscht, ist für Rocko lebenswichtig. „Sonst würde ich zusammenbrechen“.
Alles, was sich in dem Zimmer befindet, sind Teile eines Puzzles, das eine Skizze von Rocko Schamoni zusammensetzt. In der Ecke prangt ein Kruzifix mit einem Jesus aus schwarzem Holz. Diese Spur führt nach Guatemala, wo Rockos Eltern Entwicklungshelfer sind. Schon als Kind war er mal mit. Heute gefällt ihm die Symbolkraft eines schwarzen Jesus'. „Die Arbeit meiner Eltern für amnesty hat mich schon früh wach gemacht für bestimmte Dinge, die man sonst als Kind vielleicht nicht mitbekommt. Deshalb hatte ich schon früh ein Bild davon, was menschliches Leid bedeuten kann.“ Vor zwölf Jahren kam er aus dem Provinznest Lütjenburg nach Hamburg und fragte sich, ob er sich weiterhin Roddy Dangerblatt oder ab sofort Rocko Schamoni nennen sollte.
Ist er Künstler oder ist er Musiker? „Bis vor kurzem habe ich eigentlich immer ,Künstler' geantwortet, aber ich tue mich gerade sehr schwer mit der Kunst. Viele Musiker sind mir aber auch zu einsilbig. Also bleiben wir mal beim ,Künstler'.“ Zumindest ist er einer der wenigen echten Entertainer, die Hamburg hat. Entertainment – für Rocko ein problematischer Begriff. Immer nur komisch sein, das will er nicht. Aber er liebt die große Geste, „sagen wir mal amerikanisches Entertainment“. An der Wand hängt ein Poster von Elvis, daneben ein Tourplakat von Adriano Celentano. „Trotz all dem Schrott, den es von Celentano gibt, hat der Typ doch irgendwie Klasse. Verdammt. Ich wollte doch eigentlich nie mehr ,irgendwie' sagen. Idiotisch.“
In Deutschland habe bloß mal Manfred Krug Ansätze dieser Klasse gezeigt. Aber spätestens seit der Telekom-Werbung sei der Fall auch erledigt. Rocko kann diese Eindeutigkeit nicht leiden, in der sich deutsche Showstars vermarkten. Alles, was er bisher gemacht hat, wies für die schnelle Mark letztlich zu viele Kanten auf. Und er war seiner Zeit voraus. Jahre vor Guildo Horn sang er „Mandocino“ im Duett mit Michael Holm. Auf diesen Zug nun wieder aufzuspringen – das wäre zu langweilig. Da wendet er sich lieber, wie er es nennt, „neuen Themen“ zu. Im Moment betreibt er mit Pudel-Club-Kumpel Schorsch Kamerun ein instrumentales Elektronik-Projekt, Connection Point. Und täglich schreibt er eine Din-A-4-Seite für ein Buch, in dem es um eine Vater-Sohn-Beziehung geht. „Als ich dem Verlag dieses Thema nannte, meinten die, das würde ja wohl keinen interessieren. Da hat mich das natürlich sofort gereizt.“ Das Buch erscheint dieses Jahr bei Rowohlt.
Früher ist er mal als Kiss-Gitarrist Paul Stanley zum Fasching gegangen, – „'Detroit Rock City' finde ich immer noch grandios.“ –, heute hat er sich fürs Foto rasch umgezogen und Schuhe gegen Gummistiefel getauscht. Die Stiefel, in denen er ein bißchen aussieht wie ein ostpreußischer Großgrundbesitzer, sind mehr als ein Gag. „Die trage ich immer, wenn ich trinken gehe. Finde ich irgendwie bodenständiger.“ Verdammt, da war es wieder, dieses Wort. Rocko arbeitet dran. Der Weg ist das Ziel.
Die nächste Folge unserer Reihe „Hamburger Profile“ lesen Sie am Dienstag über Dynamite Deluxe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen