: Straßenbahn rollt unter Spardruck in die Krise
■ Frust bei der BSAG: Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander / Der Senat schickt externe Gutachter
Fahrgastschwund, wachsendes Minus, Frust unter den MitarbeiterInnen und der Sparhammer des Senats: Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) steckt in der Krise – trotz neuer Straßenbahnlinien und bunte Werbeplakate.
Viele der mehr als 2.000 BSAG-Leute fürchten, ihr Betrieb könnte zwischen dem Kostendruck, den Ansprüchen auf ein attraktives Angebot und der Förderung des Autoverkehrs durch die Große Koalition zerrieben werden. Bei ständigem Reagieren auf Sparvorgaben bleibe zuwenig Raum, die Zukunft des Bremer Nahverkehrs weiterzudenken. Von der Politik fühlen sich die Straßenbahner im Stich gelassen.
BSAG-Vorstand Georg Drechs-ler scheut zwar das Wort Krise, das seinen Untergebebenen durchaus geläufig über die Lippen geht. „Aber wir sind in einer Umbruchsituation“, sagt der Technik-Chef, seit einem Jahr im Vorstandstrio in der BSAG-Zentrale am Flughafendamm. „Wir müssen viele Dinge angehen, besonders vor dem Hintergrund des europäischen Binnenmarktes“. Denn schon scharren potentielle Konkurrenten mit den Hufen, um der BSAG besonders Buslinien abzujagen. Das ist möglich, sobald in der EU auch im Nahverkehr, ähnlich wie auf dem Energiemarkt, die Gebietsmonopole fallen.
Viel Sympathie bei den Kunden verspielte die BSAG beim Start des neuen Netzes. Ärger beim Umsteigen am Endpunkt des Linie 4 in Horn, unverschuldete Probleme mit der Ampelfreischaltung und deshalb verspätete Bahnen, mit Auskünften überforderte Fahrer: „Unser Problem ist das Auseinanderklaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, räumt BSAG-Marketing-Chef Wolfgang Pietsch ein. Wenn er die Schwierigkeiten geahnt hätte, wäre er mit forschen Werbesprüchen vorsichtiger gewesen. Ärgerlich für die Kunden ist auch der von 7,5 Minuten auf 10 Minuten ausgedünnte Takt am Tage. Dabei spart das im halben Jahr des Sommerfahrplans nur 750.000 Mark. Im Winter will man darum wieder zum engeren Takt zurückkehren, sagt Drechsler.
Daß mehr passieren muß, findet auch der Bremer Senat. Aber dem Vorstand, zu dem neben Drechsler noch Vorstandssprecher Karl-Heinz Witt und Arbeitsdirektor Hubert Resch gehören, scheint die Stadt die Aufgabe nicht zuzutrauen. Auf Druck des von Haushaltslöchern geplagten Finanzsenators Hartmut Perschau (CDU) sollen der BSAG die Unternehmensberater der C+L Deutsche Revision AG ins Haus geschickt werden.
Etwas hilflos verweisen die BSAG-Chefs auf jene 88 Millionen Mark, die sie seit 1995 aus ihrem Plan-Etat geschnitten haben, der 1997 ein Volumen von rund 260 Millionen Mark umfaßte. Allein 1998 sollen 15 Millionen aufgebracht werden. „Es kann nicht sein, daß die ihr Personal aufblähen und die Leistung verschlechtern“, sagt der Sprecher von Verkehrssenator Bernt Schulte (CDU).
„Die BSAG braucht keinen Neuaufguß von McKinsey“, kontert Bremens ÖTV-Bezirksschef Jan Kamann, stellvertetender Auf-sichtsratsvorsitzender der BSAG. Er hält den Ruf nach den teuren Beratern für „keine vernünftige Entscheidung“. Kamanns Furor ist erklärlich, richtet sich doch das Auge der Politik eindeutig auf die Personalkosten – und damit auf seine Klientel. Schon fordern die Senatoren, die BSAG-Leute müßten solange arbeiten wie der öffentliche Dienst: 38,5 statt bisher 37 Stunden. Und dabei hat Perschaus Staatsrat Johannes Beermann (CDU) als Chef der Kommunalen Arbeitgeberverbände doch erst kürzlich einen vielgepriesenen Tarifvertrag abgeschlossen. Darin waren die Arbeitszeit verankert und die Teilzeitarbeit – verbunden mit Neueinstellungen – ausgeweitet worden. Im Gegenzug hatten die Gewerkschafter Einbußen zugestimmt: Weniger Urlaubsgeld, weniger Überstunden und ein um sechs Prozent reduziertes Gehalt für Neueinsteiger. „Die Tinte ist noch nicht trocken und schon werden die Ergebnisse in Frage gestellt“, sagt ÖTV-Chef Kamann kämpferisch.
Bei der BSAG wartet man nun gespannt auf den genauen Auftrag an die Gutachter: Die Hoffnung ist, daß sie nicht nur Sparpotentiale suchen, sondern auch die gesamte Lage des Nahverkehrs inklusive des Autoverkehrs in Bremen unter die Lupe nehmen und damit dem bedrängten Unternehmen Argumente liefern. Denn die BSAG-Leute sind sicher: „Wir sind in Bremen nicht schlechter als in anderen Städten“. Joachim Fahrun
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