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Die Welt der Technik ganz ohne Männer

■ In einer Villa am Wannsee hantieren 68 Frauen und Mädchen mit Lötkolben und Reagenzgläsern

Hier sind sie unter sich. Hier können sie mit Lötkolben hantieren, mit Reagenzgläsern und Farben – ohne daß Männer ihnen ständig hineinreden, alles besser wissen. Denn das erleben diese 68 Mädchen und jungen Frauen aus Deutschland, Österreich und Italien häufig. Sie alle verbindet ihr Interesse an Technik und Ökologie. Und wenn es um Recycling oder Solarenergie geht, haben in der Regel Männer das Heft in der Hand. Im Jugendheim am Wannsee war das in dieser Woche anders: Der Frauen-Verein Life veranstaltete eine Ökowerkstatt für Frauen und Mädchen zwischen 10 und 25 Jahren.

Eine Idylle: alte Bäume, eine Wiese, die zum See abfällt, eine alte Villa, wunderbare Ruhe. Friedlich schippert ein Ruderboot über den Pohlesee. Urlauber? Mitnichten. Die jungen Frauen sind gerade dabei, Wasserproben zu nehmen. In der Villa sortieren unterdessen andere Mädchen Mitbringsel der Teilnehmerinnen, die sich zu einer Ausstellung fügen sollen.

Viele Teilnehmerinnen engagieren sich bereits in Öko- und Naturschutzgruppen. Auch die 15jährige Marta aus Spoleto. In ihrer Stadt soll ein Platz nach ökologischen Kriterien neugestaltet werden. Bei der Ökowerkstatt hofft sie, Anregungen zu bekommen. In der Solarenergie-Gruppe baut sie ein Strommeßgerät. Hilfe bekommen die Mädchen von Sonja aus Wien. Als Lehramtsstudentin profitiert sie auch von der Werkstatt: Sie lernt, wie sie Mädchen in der Schule Technik und Physik vermitteln kann.

Für den Verein Life ist das der Zweck des Projekts: Frauen Selbstbewußtsein im Umgang mit Technik zu verschaffen und gleichzeitig Pädagoginnen mit neuen Methoden vertraut zu machen. „Wir setzen die Technik in Bezug zu den Frauen“, erklärt Anja Wolff vom Verein Life. Was hat Strom mit mir zu tun: Diese Frage stehe am Anfang. Mit dieser Methode könne man Frauen eher an Technik heranführen als mit herkömmlichen Lehrmethoden. Als „Lehrerinnen“ für die Ökowerkstatt hat Life viele Expertinnen gewonnen: eine Schauspielerin für die Theater-, eine Chemikerin für die Wasser- und eine Kamerafrau für die Filmgruppe. Finanziert wird das Projekt aus einem Sonderprogramm der Europäischen Union und mit Landesmitteln.

Die Teilnehmerinnen sitzen zwar jeden Morgen in ihren Workshops, Ferienatmosphäre kommt dennoch auf. Warum sie hier mitmachen? Die beiden Dresdnerinnen überlegen. Interesse haben sie und wollen neue Ideen kriegen. Aber so eine Woche in Berlin am See, sagen sie etwas verlegen, sei eben auch schön. Jutta Wagemann

Am heutigen Samstag lädt die Ökowerkstatt ins Mädchenzentrum, Kreuzbergstraße, ab 15 Uhr zu Mitmachaktionen sowie ab 16 Uhr zu Mode-, Theater- und Filmpräsentationen ein. Am Breitscheidplatz zeigen die Teilnehmerinnen um 11 Uhr eine Ökotankstelle. Abends steigt ab 20 Uhr im Mädchenzentrum ein Öko-Dance-Floor-Party nur für Frauen.

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