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Atomausstieg à la SPD

SPD-Kanzlerkandidat Schröder läßt angeblich Pläne für den ratenweisen Ausstieg aus der Atomkraft erarbeiten. Keine Bestätigung von seiten der SPD  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder will nach einem SPD- Wahlsieg binnen einer Legislaturperiode die sechs ältesten deutschen AKWs stillegen. Das meldet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Weder die Staatskanzlei in Hannover noch die Bonner SPD wollte dies gestern bestätigen.

„Man kann das Ergebnis von Verhandlungen nicht vorab festlegen“, sagte gestern Schröders Sprecher Karsten-Uwe Heye der taz. Der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner meinte: „Es würde mich sehr wundern, wenn es von Gerhard Schröder oder aus seiner engen Umgebung da schon vorab konkrete Festlegungen geben würde.“

Der Spiegel berichtet von einer Expertenrunde, die zur Zeit für Schröder den schnellstmöglichen Weg zum Atomausstieg suche. Unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten „Schröder- Berater“ schreibt das Blatt, Schröder werde nach einem Wahlsieg die AKWs Obrigheim, Stade, Biblis A und B, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel binnen einer Legislaturperiode abschalten. „Wenn dies im Konsens geht, wird das gemacht“, sagte gestern einschränkend Schröders Sprecher Heye.

Laut Spiegel plädieren Schröders Berater dafür, für die weniger betagten Reaktoren eine Laufzeit von bis zu 40 Jahren festzuschreiben. Für die stillgelegten Atommeiler sollen die Betreiber auf Schadenersatzforderungen verzichten. Im Gegenzug solle ihnen ein Ende des Streits um die Atommülltransporte in Aussicht gestellt werden, indem in allen Kraftwerken möglichst rasch dezentrale Zwischenlager genehmigt werden. Widersetzten sich die Atomkonzerne dem langsamen Ausstiegsszenario, drohe staatlicher Druck, zum Beispiel ein Verbot der Wiederaufarbeitung im Ausland.

Auf Ablehnung stieß der angebliche Ausstiegsplan beim sonst durchaus Schröder verbundenen Vorstandsvorsitzenden der PreußenElektra Hans-Dieter Harig. In den Augen von Harig ist etwa das AKW Stade in den vergangenen Jahren so viel nachgerüstet worden, daß es nun „noch Jahrzehnte am Netz bleiben könnte“.

Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, verwies gestern darauf, daß insgesamt elf der 19 bundesdeutschen Atomkraftwerke längst nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen: „Diese elf alten Reaktoren wären nach den heutigen gesetzlichen Anforderungen nicht mehr genehmigungsfähig und müssen deswegen als erste abgeschaltet werden.“ Müller wandte sich auch dagegen, die letzten Reaktoren erst im Jahre 2028 abzuschalten, wie es der anonyme Schröder-Berater im Spiegel vorschlägt.

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