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AnalyseSchnellere Vergleiche

■ Die Vorfrist für das neue Insolvenzrecht ist nun angelaufen

Die Geschichte ist traurig, hat aber neuerdings Aussicht auf ein besseres Ende. Die Frau hat in Ostberlin ein Spielwarengeschäft eröffnet und 60.000 Mark Schulden gemacht. Der Verkauf läuft nicht, der Laden macht dicht. Jetzt wird mit Lieferanten, Vorbesitzern, der Bank verhandelt: Wieviel muß, wieviel kann die Gescheiterte abtragen von ihren Schulden? 10.000 oder nur 6.000 Mark? Die Glücklose hat seit kurzem bessere Chancen, nicht lebenslang im Schuldenturm sitzen zu bleiben. Denn seit 1. Juli läuft die Vorfrist für das neue Insolvenzrecht – und damit sind die Gläubiger verhandlungsbereiter als zuvor.

Wer überschuldet ist und sich mit seinen Gläubigern nicht außergerichtlich einigen konnte, der kann sich seit dem 1. Juli um eine Bescheinigung für diese gescheiterte außergerichtliche Einigung bemühen. Ab 1. Januar 1999 tritt der Schuldner dann in das Verfahren der sogenannten Restschuldbefreiung ein. Im Rahmen dieses Verfahrens müssen Privatschuldner sieben Jahre lang (Altfälle: fünf Jahre) ihr Einkommen jenseits der Pfändungsgrenze an die Gläubiger abtreten. Danach gelten sie als schuldenfrei. Den 2,3 Millionen überschuldeten Haushalten und vielen gescheiterten Gewerbetreibenden eröffnet sich damit eine neue Perspektive.

Das Entscheidende dabei: Der größte Teil der Überschuldeten wird gar nicht in das eigentliche Konkursverfahren eintreten. Denn die meisten werden sich mit ihren Gläubigern einigen. Die Tatsache, daß Gläubiger den Schuldner nicht mehr lebenslang zur Rückzahlung verpflichten können, verbessert jetzt schon die Verhandlungsposition der Schuldner.

„Die Gläubiger werden von Tag zu Tag aufgeschlossener“, berichtet Christian Wieczorek von der Schuldnerberatung „julateg“ in Berlin und beschreibt einen Fall aus der Praxis: Ein Schuldner, der drei Gläubigern 60.000 Mark zurückzahlen muß und dies nicht kann, dem können im Rahmen der fünfjährigen Restschuldbefreiung vielleicht monatlich nur 100 Mark gepfändet werden. Macht 6.000 Mark in fünf Jahren, davon gehen noch Gebühren ab, das heißt, jeder Gläubiger bekommt innerhalb von fünf Jahren weniger als 2.000 Mark. „Wenn ein Gläubiger sich das klarmacht, dann willigt er eher schon im Vorfeld ein, vielleicht für seine 20.000 Mark Darlehen nur 2.000 Mark zurückzubekommen, und das auf einen Schlag bei einer außergerichtlichen Einigung.“ Durch die Aussicht auf Restschuldbefreiung stimmten Gläubiger heute Vergleichen zu, die sie früher abgelehnt hätten.

Noch fehlen vielerorts die Ausführungsvorschriften für das neue Insolvenzrecht. Unklar ist auch, welche Schuldnerberatungsstellen die Bescheinigung für außergerichtliche Einigungsversuche ausstellen können. Die Klärung dieser Details ist eine Frage der Zeit. Barbara Dribbusch

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