piwik no script img

Der gelbe Krake wächst weiter

Immer neue Mitglieder stoßen zum ADAC. Der ist inzwischen halb Verein, halb Wirtschaftskonzern. Nun machen ihm Versicherungen Konkurrenz  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Die Deutschen sind als äußerst sicherheitsbedachtes Volk bekannt. Daß sie im Versichern Weltmeister sind, kommt dem ADAC zugute. Mittlerweile 13,7 Millionen Autofahrer zahlen ihre Mitgliedsbeiträge von 74 Mark an Europas größten Autoclub, legen noch 65 Mark für den Schutzbrief drauf und fühlen sich rundum sicher. Umfragen zufolge sind 90 Prozent der ADAC-Mitglieder nur deswegen im Club, weil sie sich die Pannenhilfe sichern wollen.

Der ADAC wächst folglich immer weiter: Zwei Prozent mehr Mitglieder – das macht 900 Millionen Mark Mitgliedsbeiträge im Jahr 1997. Diese Zahlen stellte der ADAC-Präsident und hauptberufliche Schnapsbrenner Otto Flimm gestern in München vor. Vor allem aber macht der Autoclub gute Geschäfte. 1,15 Milliarden Mark Umsatz (800.000 Millionen Mark mehr als im Vorjahr) hat er vor allem mit Versicherungen, Reisen, Zeitschriften und Autovermietung erwirtschaftet. Weil er das als gemeinnütziger Verein gar nicht darf, hat er dazu eigens einen Konzern gegründet, die ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH.

Die Konkurrenz wächst allerdings ebenfalls. Die Versicherungskonzerne wie Allianz, Colonia oder R+V wollen sich nicht länger die Butter vom Brot nehmen lassen und bieten inzwischen viel billigere Schutzbriefe an. Die Allianz etwa hat sich die Unterstützung von Tausenden von Pannen- und Abschleppdiensten, Werkstätten und Mietwagenstationen vertraglich gesichert, um dem ADAC mit seinen gelben Pannenhelfern Paroli bieten zu können.

Auch die Kritik am ADAC nimmt zu. Der Verein expandiere unkontrolliert in alle möglichen Geschäftsfelder, die bestenfalls indirekt den Mitgliedern zugute kommen. So bewirbt sich der Club um die Notrufsäulen an den Autobahnen. Neueste Idee des Vorstands: 125 Millionen Mark Investitionen in Verkehrsleitsysteme bis zum Jahr 2000.

Die ADAC-Mitglieder haben dabei so gut wie keine Möglichkeit zu sagen, ob ihnen gefällt, was der Verein mit ihren Mitgliedsbeiträgen oder dem angehäuften Vereinsvermögen von inzwischen 325 Millionen Mark macht. Ebensowenig Mitspracherecht haben sie über die verkehrspolitischen Vorstöße des ADAC, der sich anmaßt, nicht für seine Mitglieder, sondern für die Autofahrer insgesamt zu sprechen. Dafür sorgt die Vereinsstruktur. Mitreden kann man allenfalls, wenn man auch noch in einen ADAC-Ortsclub eintritt. Diese entsenden Delegierte in die „Gaue“, aus denen wiederum Vertreter für die jährliche Hauptversammlung nominiert werden.

Schon lange fordert der SPD- Abgeordnete Hans Martin Bury deshalb, den ADAC zu dem zu machen, was er ist: ein Wirtschaftsunternehmen. Sein Gesetzesvorstoß, wonach Vereine, die als Unternehmen tätig werden, sich auch den entsprechenden Vorschriften und Kontrollen zu unterwerfen hätten, ist allerdings gescheitert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen