Heißt der Vogts-Faktor Freund?

Die Fußball-Bundesliga im großen taz-Test (III). Heute: Borussia Dortmund. Wird alles wieder gut? Sind die Zonis schuld? Und was macht eigentlich Andreas Möller?  ■ Tester: Wiglaf Droste

Und wieder ist man in eine Bundesligafußballsaison hineingetunkt. Der schöne Vorsatz, sich für das Zeug wirklich nicht mehr interessieren zu wollen, hat nichts geholfen: Wieder liest man bizarre Druckerzeugnisse wie das Kicker- Saisonheft und hört – warum eigentlich? – Christoph Daum zu: „Nicht gewinnen um jeden Preis, sondern Spielfreude um jeden Preis“, quadarkt der Zwangscharakter und merkt – wie sollte er auch? – seine eigene Umnachtung selber nicht. So ist das: Fußball läßt die grauen Haare sprießen – und wenn man unter Fußball vor allem Borussia Dortmund versteht, dann sprießen sie reichlich.

Was soll aus der Mannschaft nur werden?

Welche Mannschaft? Mehr als 30 Leute hat Dortmund im Kader, aber ein gutes halbes Dutzend soll noch schnell verhökert werden. Nur: Wer will schon Martin Kree kaufen? Oder Stefan Reuter? Der ulkige Renner am rechten Rasenrand wurde schnell noch zum Kapitän gemacht, damit seine Überflüssigkeit nicht ganz so auffällt. Altlasten bleiben gerne in Dortmund – so auch Heiko Herrlich, Spitzname „der Christ“ oder „die gelbe Tonne“.

Hat Dortmund ein Zoni-Problem?

Absolut. Zwar wurde Jörg Heinrich für 25 Millionen Westmark nach Florenz weggegeben. Auch der Dresdener Ehrgeizler Matthias Sammer wird kaum wieder für Dortmund spielen – außer vielleicht im neu gebauten 450-Plätze-Theater in der Nord- Tribüne die Titelrolle in Ernst Tollers Antikriegsstück „Hinkemann“. Aber René Schneider hängt noch an Dortmund, genauso wie der unseligste Mann von allen: Steffen Freund! Über dessen Fußballspiel äußert sich schon lange niemand mehr – lieber wird ihm mittlerweile auch bei Dortmund so hilflos-armselig wie zuvor von Hans-Hubert Vogts dafür applaudiert, „in der Mannschaft für gute Stimmung“ und „Kameradschaft“ zu sorgen. Tödlicher kann Lob nicht sein.

Wie peinlich ist der Präsident?

Zwar wirkt Gerd Niebaum, verglichen mit Selfmade-Fieslingen wie Wildmoser, Beckenbauer, Calmund oder Mayer-Vorfelder, geradezu dezent und menschenähnlich, aber das ist leicht und gildet nicht. Präsidial humorlos ist auch der Rechtsanwalt Niebaum: 1995 vertrat er Heribert Faßbender, als der wegen des Buches – „So werde ich Heribert Faßbender – Grund- und Aufbauwortschaft Fußballreportage“ – den Essener Klartext- Verlag und die Autoren Roth, Gsella und Lenz vor den Kadi zog und Schmerzensgeld verlangte – ausgerechnet Faßbender, der so vielen so viele Schmerzen zufügte. Auch groß herausgedröhnte Besuche von Bundeswehrsoldaten, Karel Gott, Gerhard Schröder usw. im Westfalenstadion gehen auf Niebaums Konto.

Wie hoch ist also der Vogts- Faktor?

Alles in allem exakt 31.

Gibt es ein allgemeines Qualitätsdefizit?

Jau. Aber es kann behoben werden. Vorschläge wurden schon gemacht: Andreas Möller möchte weg aus dem Mittelfeld und Libero spielen. „Ich bin zu diesem Rollentausch bereit und traue mir zu, auf dieser Position noch sechs Jahre auf höchstem Niveau zu spielen.“ Wieso Libero? Gibt es dafür nicht schon Wolfgang Feiersinger, Möllers Kumpel Manfred Binz, Karsten Baumann und – so er denn jemals geheilt wird – Matthias Sammer? Auch im Mittelfeld wäre es eng für Möller: Sergej Barbarez, Vladimir But, Thomas Häßler, Thomas Hengen und Lars Ricken können ebenfalls auf seiner Position spielen. Deshalb plant Möller insgeheim einen Putsch mit der Mannschaftsaufstellung: Klos – Kohler – Möller – Möller – Möller – Möller – Möller – Möller – Möller – Möller – Möller. Andererseits könnte Möller aber auch den klassischen Ausputzer „neu interpretieren“, wie man in Reportersprech sagt. Wird aber, falls die Sache schiefgeht, seine Frau in die Bild-Zeitung hineinweinen, wie gemein alle wieder zu Andreas Möller waren? Es steht zu befürchten.

Warum wird vielleicht trotzdem alles gut?

Weil statt Heinrich auf links Dede flitzen wird. Weil Thomas Häßler so unglaublich freundlich aussieht. Weil für Trainer Michael Skibbe die schweren Jahre ab 33 eben erst begonnen haben und er sich anschickt, ein integrer Mann wie Ewald Lienen oder Volker Finke zu werden. Und weil Leute wie Fritz Eckenga auch weiterhin zu Dortmund ins Stadion gehen werden – sogar gegen Gewürgemannschaften wie Hertha BSE Berlin. Das muß Liebe sein.

Morgen: Der Club, der sein Hundertjähriges keinesfalls niederklassig feiern will.