: „ABM der Marke schnell-schnell“
■ Langfristig wollen die Konservativen den zweiten Arbeitsmarkt wieder diskreditieren, befürchtet SPD-Fraktionschef Harald Ringstorff
In Mecklenburg-Vorpommern regieren SPD und CDU.
taz: Die Ostländer bekommen jetzt deutlich mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) – da können Sie sich doch freuen.
Harald Ringstorff: Im Prinzip könnten wir das. Aber diese ABM sind nicht mit Sinn und Verstand gesetzt.
Warum?
Im Vorjahr wurde kräftig angespart. Das hat einen unheimlichen Druck auf die Träger ausgeübt, die sich teilweise nicht halten konnten. Und jetzt wird das Füllhorn über uns ausgeschüttet. Aber das sind keine längerfristig berechenbaren Rahmenbedingungen, wie wir sie bei der Arbeitsbeschaffung brauchen. Im Moment werden Maßnahmen genehmigt, die sonst kaum eine Chance auf Genehmigung hätten.
Die Menschen sind weg von der Straße.
Ja, aber doch nur für sechs oder sieben Monate. Sogar ABM mit einer Dauer von drei Monaten gibt es nun. Es werden also sehr begrenzte Laufzeiten genehmigt, die arbeitsmarktpolitisch keinen Sinn machen. Das soll den Eindruck erwecken, daß auch im Osten der Durchbruch auf dem Arbeitsmarkt geschafft ist. Das ist eine reine Verschönerung der Arbeitslosenstatistik.
Sie haben doch immer gefordert, das Instrument der Arbeitsbeschaffung zu verstärken.
Aber das ist nicht geschehen. Im Gegenteil. Und jetzt werden ABM Marke „schnell-schnell“ vergeben. Viele Anträge werden nicht richtig auf ihre Seriosität geprüft. Später werden die Konservativen diese ABM light dazu benutzen, den zweiten Arbeitsmarkt wieder zu diskreditieren.
Was wird in den ABM gemacht?
Das konnte ich auf einer Radtour begutachten: Auf dem Land wird das Gras und die Blumen an Stellen gemäht, wo es ruhig stehenbleiben könnte. Das bringt Nutzen weder für die Landschaft noch für den kurzfristig Beschäftigten. Diejenigen, die solchen Unsinn forcieren, werden die ersten sein, die sagen: Schaut, die ABMler halten sich den ganzen Tag an der Harke fest.
Wo wären ABM denn sinnvoll?
Bei Wohlfahrtsverbänden zum Beispiel. Ich denke aber auch an so etwas wie Schuldner- oder Verbraucherberatung und vor allem den sozialen Bereich. Da kann man natürlich nichts mit Beschäftigungen anfangen, die nur über vier oder sechs Monate laufen.
Auch das ist immerhin etwas.
Nein, die jetzt bewilligten Maßnahmen haben keine Perspektive. Die müssen alle noch in diesem Jahr abgerechnet werden. Manchmal werden statt einer ganzjährigen ABM drei viermonatige bewilligt – das Manöver ist allzu durchsichtig. Das sind „Wahlkampf- ABM“.
Warum nicht auch die nehmen, wenn die Träger damit umgehen können?
Selbst die Trägergesellschaften beschweren sich. Man spielt mit den Leuten. Ich freue mich für jeden, der auch für paar Monate in eine Maßnahme kommt. Eine vernünftige Politik ist das aber nicht. Da wird mit der Hoffnung von Menschen gespielt. Hinterher haben sie nicht mal mehr Anspruch auf Lohnersatzleistungen.
Haben Sie nicht einfach auch die Furcht, daß der ABM-Boom Ihnen bei der Landtagswahl im September schadet?
Unsere Wahlchancen schmälert das nicht. Das ist so durchsichtig, daß die Menschen es mitbekommen. Was mich ärgert ist, daß wirklich gutes Geld verschleudert wird, das man besser hätte ausgeben können. Interview: Christian Füller
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