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Nicht eben im Zentrum aktueller Diskussion

■ Unbefangene steinerne „Moderne afrikanische Kunst“ im Botanischen Garten

Ein Großer Steinkopf begrüßt diesen Sommer die Besucher gleich hinter dem Eingang zum Botanischen Garten in Hamburg Groß Flottbek. Nase und Mund klar herausgearbeitet, bilden die Augenbrauen nur eine Linie: Es ist „Der Blinde“ vom Meisterbildhauer Bernard Matemera aus Zimbabwe, Teil der Ausstellung Moderne afrikanische Kunst.

An die 2000 Arbeiten besitzt der 1985 von Roy und Meg Guthrie in Harare eingerichtete Chapungu Skulpture Park. Über fünfzig davon hat Kuratorin Mona Arnold für diese Ausstellung ausgewählt. Da die gezeigten Großskulpturen ohne Hilfe von Steuergeldern zu Gast in Hamburg sind, ist die angegliederte Verkaufsausstellung nicht ganz unwichtig. Vom „Eichhörnchen“ zu 360 Mark bis zum „Regengott“ für 29.000 Mark ist die afrikanische Kunst zu haben.

Die Steinbildhauerei in Zimbabwe wurde vor vierzig Jahren vom Briten Frank McEwen als Aktivität der Nationalgalerie im damaligen Rhodesien initiiert und errang als „Shona-Kunst“ schon bald internationale Aufmerksamkeit. Handwerkliches Geschick und die Mischung regionaler Traditionen mit dem Ausdruckskanon der importierten Westkunst führten regelrecht zu einem weltweiten Boom.

Doch das eingeführte stammesspezifische Etikett für diese Kunst ist den Künstlern verhaßt. In dem richtigen Versuch, ihre Arbeit zu personalisieren, verbreiten Katalog, Handzettel und Schrifttafeln eine etwas übertriebene Stimmung von Kulturkampf. Daß von den zehn wichtigsten Bildhauern dieser Welt mindestens fünf aus Zimbabwe kommen, ist eine Aussage, die zwar klar formuliert, wie diese Kunst gesehen werden will, iist aber ansonsten völlig unhaltbar. Während die Kunsttheorie inzwischen „Drop-Down-Sculptures“, also die unabhängig vom Ortsbezug erstellten Produkte weitgehend ablehnt, zeigen diese afrikanischen Steine eine relativ unbefangene Art von Umsetzung eines Bildes in Stein. Die Schönfarbigkeit des Materials, die Tierthematik in unterschiedlichen Abstraktionen und die durch erzählerische Titel zur Eindeutigkeit bestimmte Figürlichkeit („Unser HIV-Freund“ oder „Die verderbende Macht des Geldes“) sind modernistische Positionen, die eben nicht im Zentrum der aktuellen Kunstdiskussion stehen, gleich, woher sie kommen.

Doch bei über 50 Skulpturen unter dem Titel Moderne Kunst aus Afrika fällt eben genau das schwer, was so notwendig ist: Das Differenzieren und Erkennen einzelner Künstler und ihrer Absichten. Das am Freitag beginnende öffentliche Bildhauersymposion mit sechs Künstlern aus Zimbabwe und zehn aus Deutschland (vor allem aus der Koblasa-Schule) bietet die Chance für Verständnis, nicht nur für die Kollegen, sondern auch für das nach „seelenvoller Kunst“ suchende europäische Publikum. Und wenn dann zu beobachten ist, wie von einem gestreckten Steinrohling, dem nur in der Mitte Bauch und Brust herausgearbeitet sind, ein Schmetterling in den sommerlichen Himmel flattert, mag die so vergessene Suche nach der Seele eines Steines ihre Poesie entfalten: Trägt doch die Skulptur von Tapfuma Gutsa den Titel „Der Wunsch zu fliegen“. Hajo Schiff

Botanischer Garten Hamburg, Klein Flottbek, Ohnhorststraße, tägl. 9 - 20 Uhr, bis 20. September. Eintritt frei

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