Viel zu viele Überraschungspartys

■ ...und zu wenige fiese Mörder: Ole Bornedals Hollywood-Remake seines Filmhits „Freeze – Nightwatch“ ist viel zu nett anzuschauen, was für einen Horrorfilm kein Kompliment bedeutet

Wenn Horrorfilme richtig gut sind, wecken sie Urängste, die sie kurz darauf möglichst gründlich bestätigen: Wo es dunkel ist, da schleicht ein fieser Mörder um die Ecke. Und auf wen bei nächtlichen Geräuschen aus der Küche nur eine Überraschungsparty wartet, der hat verdammtes Schwein gehabt. Leider hält der dänische Regisseur Ole Bornedal beim Hollywood-Remake seines eigenen Kassenschlagers „Nightwatch“ von 1994 zu viele Überraschungspartys bereit – und zu wenige fiese Mörder. Dem erhofften Thrill-Ride geht schon nach halber Strecke die Puste aus.

Jurastudent Martin (Ewan McGregor) braucht Geld. Da kommt der Job in einem Leichenschauhaus gerade recht. Bei dem Gedanken an eine Nachtwache unter Toten wird ihm zwar etwas mulmig, doch er möchte nicht als Waschlappen vor seiner Freundin (Patricia Arquette) dastehen. Also seufzt er zwo-, dreimal und schleicht zur ersten Schicht. Durch seinen pensionsreifen Vorgänger erfahren wir, was gleich passieren wird: „Geh niemals in den Autopsiesaal“, lautet dessen Ratschlag. Nicht der Rede wert, daß Martin genau dort bald sein blaues Wunder erleben wird. Und: „Es gibt eigentlich keinen Grund, Angst zu haben.“ Martin glaubt ihm aufs Wort. „Aber falls doch etwas passiert, hast du hier einen Baseballschläger.“ Jetzt ist der Moment gekommen, an dem Martin am liebsten laut schreiend aus dem Reich der Toten fliehen würde. Aber er bleibt. Und guckt und schluckt und hofft, daß dieser Alptraum bald vorübergeht. Aber natürlich ist das erst der Anfang.

Leider plätschert der Film ziemlich lustlos dahin. Die Schauspieler geben sich redliche Mühe, aber irgendwie bleibt der Film fade. Gruselig ist es hin und wieder schon, doch es bleibt immer genug Zeit, sich über die seltsame Ausstattung des Films zu wundern (warum sind die Bäume vor dem Leichenschauhaus nur um alles in der Welt in Cellophan eingewickelt?). Die Story will uns weismachen, daß einem nekrophilen Mörder der Spaß am Schänden von Leichen ausgeht und er deshalb das Metier wechselt. Fortan seziert er Lebendfleisch. Das ist nicht gerade eine umwerfende Idee, aber für einen Horrorfilm sollte es gerade reichen. Und eigentlich wäre die Handlung auch vollkommen egal, wenn das Wirkungskonzept aus Angst und Erlösung stimmen würde.

Und vielleicht ist die Ähnlichkeit zu den jüngst so erfolgreichen „Scream“ und „I know what you did last summer“ doch nicht rein zufällig. Denn irgendwie eint die aktuellen Horrorfilme eine Absicht: alles möglichst schick aussehen zu lassen. Schickes Ambiente, schicke Hauptdarsteller, selbst der gräßliche Autopsieraum sieht noch schick aus in der molliggelben Beleuchtung. Das weckt Erinnerungen an die schicken grünen Giftgaskügelchen aus „The Rock“, über die man damals beinahe vergessen hatte, daß von ihnen eine tödliche Bedrohung ausging. „Freeze – Nightwatch“ kämpft hoffnungslos gegen das Image, nur der nächste Samstag-Nacht-Blut- und-Party-Spaß zu sein. Alexander Remler

„Nightwatch“. Regie: Ole Bornedal. Mit Ewan McGregor, Nick Nolte, Josh Brolin, Patricia Arquette. USA 1998, 105 Min.