: Wer Geld mitbringt, kann anfangen
■ Keine Ausbildung, arbeitslos und über 18 – wer diese Kriterien erfüllt, könnte wie die Berlinerin Violeta Sekulowić einen vom Staat finanzierten Job antreten
„Binnen 30 Sekunden hat die mich rumgekriegt“, sagt Stephan Roessiger, „Violeta ist ein Glücksfall für meine Firma.“ Als Violeta Sekulowić vor einem Jahr in Roessigers Werbeagentur anfing, brachte sie ihr Gehalt gleich mit: 1.436 Mark netto für 30 Stunden im Monat, bezahlen tut der Staat.
Violeta Sekulowić ist Teilnehmerin eines kommunalen Förderprogramms für junge Langzeitarbeitslose in Berlin. Seit zehn Jahren unterstützt die BBJ-Servis gGmbH junge Berliner beim Einstieg in den Beruf. 15,2 Millionen Mark sind dafür im Landeshaushalt vorgesehen, knapp fünf Millionen schießt die EU zu. 640 Arbeitsplätze können damit im Jahr finanziert werden, mitmachen darf aber nicht jeder. Die BBJ-Teilnehmer müssen zwischen 18 und 27 Jahren alt und mindestens ein Jahr lang arbeitslos sein, dürfen kein Abitur haben – und müssen sich ihren Arbeitsplatz selbst suchen.
Für den Arbeitgeber gilt, daß er die Stelle extra schaffen muß, es soll ja niemand verdrängt werden. Im ersten BBJ-Jahr wird die Stelle zu 100 Prozent öffentlich finanziert, im zweiten Jahr zu 75 Prozent und im dritten noch zur Hälfte – ein verlockendes Angebot, gerade für Betriebe, die noch in den Kinderschuhen stecken und sich eine volle Arbeitskraft nicht leisten könnten. Unqualifizierte Hilfsjobs kommen für das BBJ-Programm allerdings nicht in Frage.
„In der Werbebranche gibt es zuwenig qualifizierte Kräfte“, sagt Stephan Roessiger, „da muß man sich den Nachwuchs selber heranziehen.“ Zum Beispiel mit einer wie Violeta: Sie ist 24 Jahre alt, ist in Berlin geboren und aufgewachsen und hat einen bosnischen Paß. In der neunten Klasse hat sie die Schule abgebrochen, sich dann acht Jahre lang durchgejobbt und nebenher den Realschulabschluß nachgeholt. „Sobald du 18 bist, kümmert sich kein Schwein mehr um dich“, sagt Violeta. Vom Arbeitsamt habe sie auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz wenig Hilfe bekommen, „keine Chance“ mit 23 und ohne Abi. Das BBJ-Programm war ihre Rettung: Im Juni vergangenen Jahres meldete sie sich an („vollkommen unbürokratisch“), am 1. August konnte sie mit der Arbeit in der Werbeagentur beginnen.
Von Computern hatte Violeta anfangs keine Ahnung. Inzwischen arbeitet sie selbständig mit diversen Grafikprogrammen, kreiert Aufkleber und Plakate. „Sie hat sogar schon eigene Kunden“, sagt Stephan Roessiger, der seine junge Mitarbeiterin nicht mehr missen möchte. „Was wir ihr an Geld nicht bieten können, bieten wir an Privilegien“, meint er, Violeta dürfe mit ihrer Arbeitszeit recht frei umgehen und Seminare besuchen, die vom BBJ angeboten werden.
„Selbstsicher und straight sein“, das hat Violeta gelernt. Sie weiß, daß ihr Chef nicht weniger als sie von dem Verhältnis profitiert. Auf eine Übernahme nach den drei BBJ-Jahren kann sie durchaus hoffen, zumal ihr dann auch eine vom Arbeitsamt finanzierte Umschulung zusteht – ein Glücksfall eben. Heike Spannagel, Berlin
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen