piwik no script img

Der lang-andauernde Torfkrieg von Münkeboe

Torfabbau gefährdet Deutschlands größten Hochmoorsee, weil ein kommunales Unternehmen seit Jahren im Naturschutzgebiet baggert. Jetzt aber wehren sich die Bewohner Innen von Münkeboe – und wehe, wenn die Vorzeige-Ostfriesen erstmal zur rhetorischen Mistgabel greifen  ■ Von Thomas Schumacher

Wenn es zum Frühstück Torf gibt, dann bist Du in Osfriesland.“ Mit ähnlich gehaltvollen Sprüchen könnte man im ostfriesischen Münkeboe in der Nähe von Aurich keinen Blumentopf gewinnen. Für solchen Unflat würde man heftig über die Kuhweiden gescheucht. In punkto Torf kennen die MünkeboerInnen nämlich keinen Spaß mehr.

Bei Münkeboe befindet sich Deutschlands größter Hochmoorsee, das „Ewige Meer“ in Berumerfehner Moor. Eingebettet in ein Naturschutzgebiet gilt es europaweit als streng geschütze Enklave. Als Naherholungsgebiet ist es weit über die Grenzen Ostfrieslands bekannt. Trotzdem genehmigte 1989 der Landkreis den Torfabbau bis ins Jahr 2016. War diese Entscheidung für NaturschützerInnen damals schon schwer zu schlucken, so ging ihre osfriesische Gelassenheit Ende letzten Jahres endgültig flöten. Der BUND deckte auf: Die Firma Düngetorf/Großefehn hatte nicht nur in dem ihr zugewiesenen – geschützten – Gelände nach Torf gegraben, sondern weit darüber hinaus. „Ein Hochmoor wird als solches geschützt, gleichzeitig erlauben die Behörden, es zu zerstören“, schüttelt Rolf Runge vom BUND fassungslos den Kopf.

Letzten Monat bilanzierte der niedersächsische Umweltminster auf Anfrage der Grünen im Landtag das Ausmaß der Schäden: Die Firma Düngetorf hat abgetorfte Flächen seit 1995 nicht renaturiert. Sie hat unerlaubt Entwässerungsgräben gezogen; für ein Hochmoor, das sich wie ein Schwamm mit Oberflächenwasser vollsaugt, ist das der dürre Tod.

Sie hat nichtgenehmigte Wege ins Naturschutzgebiet geschlagen. Rund sechs Hektar Hochmoor wurden vertragswidrig abgetorft. Dabei stieß Düngetorf durch den ökolgisch unersätzlichen, tiefer liegenden Schwarztorf bis auf den mineralischen Grund. „Diese Schichten sind tausende Jahre alt. Da kann man nichts mehr reparieren“ –- in seiner Resignation ist Rüdiger Hörmann vom Naturschutzbund Deutschland noch einer der stilleren Kritiker des Torfabbaus. „Ich habe in den achtziger Jahren miterleben müssen, wie hier die Birkhühner ausgestorben sind“, schildert er.

Der Landkreis Aurich ist in einer Zwickmühle. Vor zwanzig Jahren mußte er die gesamte Müllentsorgung des Kreises neu organisieren. „Wir haben uns gegen Verbrennung und Deponierung des Haushaltsmülls entschieden und für Bio-Kompostierung“, erklärt Gerrit Fuhrmann, Sprecher des Landkreises. Und weiter: „Wenn wir schon kompostieren, dann wollen wir das Produkt Kompost auch verkaufen.“ Genau da sackt der Bagger aber ins Moor. Denn da der Auricher Kompost mit Schwermetallen belastet ist, muß er „gereinigt“ werden. Und da Aurich umgeben war von Mooren, bot sich Torf als Kompostzusatz an. So wurde der belastete gestreckt: Aus verbleitem, verrottetem Biomüll wurde Düngeerde, die mittlerweile in ganz Nordwest-Deutschland an Baumschulen und Gärtnereibetriebe verkauft wird. Der Landkreis Aurich gründete mit privaten Firmen (Beekmann) eine Entsorgungsgesellschaft für Hausmüll und übertrug einer Tochterfirma (Düngetorf) – also quasi sich selbst – das Recht zum Torfabbau. „Damals war uns nicht bekannt, daß Torf zu kostbar sein könnte, um Kompost damit zu strecken.“ Seit zwei Jahren forscht die Frima Beekmann nach Torfersatzstoffen.

„Torf als Streckmittel für mit Schwermetall belasteten Kompost zu benutzen, ist eine für uns unerwünschte Vorgehensweise“, stellt Rudolf Mach fest. Er ist beim Bundesumweltamt in Berlin zuständig für Kompostierungsfragen und bezweifelt, daß es nach der neuen Bio-Müllverordnung überhaupt zulässig ist, vergifteten Kompost mit Torf zu strecken und so handelsfähig zu machen.

Martin Kakuschke, Vertreter der Geschäftsleitung von Düngetorf (Beekmann), gibt die Verstöße seiner Firma unumwunden zu. Unterm Strich aber bleibe: „Wir haben immer noch eine rechtsgültige Ausnahmegenehmigung Torf abzubauen.“ Seit gut acht Monaten ruht der Abbau. „Freiwillig, wegen der mit hoher Emotionalität geführten Diskussion“, betont Kakuschke. „Nicht ganz so freiwillig, wegen der mit hoher Emotionalität geführten Diskussion“, meint Landkreissprecher Fuhrmann.

Immerhin sind die jeder politisch-renitenten Anwandlung abholden Münkeboer BürgerInnen der Verwaltung mit Mähdreschern und Uraltraktoren vor die Bude gerückt. Besonders süffisant haben sie dabei Landrat Hinrich Swieter, genannt Hinni, auf die Mistgabel genommen. Der ehemalige niedersäschsiche Finanzminister hatte seinen hannoveraner Stuhl räumen müsssen, nachdem ihm eine Norderneyerin sexuelle Übergriffe nachsagte. Mittlerweile ist das Verfahren eingstellt. Vor kurzem wurde Swieter morgens mit 2,4 Restalkolhol im Blut am Steuer erwischt. Sinnigerweise wollte er später als Schirmherr eine Veranstaltung zur Verkehrssicherheit eröffnen. „Swieter säuft – unser Moor vertrocknet“, kalauerte die Münkeboer Bürgerinitiative gegen den Torfabbau. Das schmerzt, denn in Aurich gelten die Münkeboer als Vorzeige-Ostfriesen. In jahrelanger Arbeit haben sie neben ihrem unscheinbaren Straßendorf einen kompletten historischen Dorfkern nachgebaut. Ihre Sammlung landwirtschaftlicher Geräte ist berühmt, ihr Fuhrpark an alten Traktoren legendär. Die Münkeboer stehen in dem Ruf, daß sie erreichen, was sie sich in den Kopf gesetzt haben. Daß die Münkeboer den Torfabbau stoppen wollen, klingt wie eine Kriegserklärung.

Irgendwie Torf in Sicht, wünscht sich trotzdem Martin Kakuschke von Düngetorf (Beekmann). „Bis jetzt mußten wir 30 Leute entlassen. 60 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Wir müssen schnellstens wieder abtorfen“, so umschreibt er eine dramatische Situation. „Kein Torfabbau“, sagt Helmut Wendt von der Münkeboer Initiative gegen Torfabbau. „Die Firma hat nicht einen verlorenen Arbeitsplatz wegen des Abbaustops nachweisen können. Schließlich darf sie gelagerten, schon abgebauten Torf weiter aus dem Berumerfenehn abtransportieren“, sagt Rolf Runge vom BUND.

Sollte Düngetorf tatsächlich im nächsten Jahr Konkurs anmelden, müßte der Landkreis als Teilhaber der Firma an sich selbst Schadensersatzforderungen stellen. „Außerdem“, so Landkreissprecher Gerrit Fuhrmann, „nur wenn Düngetorf weiter abbaut und den mit Torf gestreckten Kompost verkauft, können wir sicher sein, daß Düngetorf die Renaturierungsmaßnahmen bezahlt.“

„Das“, so ist sich Naturschützer Rüdiger Hörmann sicher, „erlebe ich sowieso nicht mehr.“ Sollte eine Renaturierung des zerstörten Berumerfehns überhaupt möglich sein, wird man wohl erst in gut 2.000 Jahren einen erkennbaren Erfolg sehen. Zur Zeit warten alle Beteiligten auf ein ökologisches Gutachten über die Renaturierungsmöglichkeiten des Moores. Erst danach soll entschieden werden, ob weiter abgetorft werden darf. In zwei bisdrei Wochen soll das Gutachten fertig sein. Dann möchte Düngetorf am liebsten sofort baggern. Allerdings laufen in Münkeboe schon die Traktoren zur Erstürmung der Auricher Kreisverwaltung warm. „A la longue, eine komplizierte Situation“, meint Landkreissprecher Fuhrmann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen