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Hamburgs regierter Bürgermeister

Hitler und das Schwarzbrot: Unter den Nazis war Carl Vincent Krogmann „Erster Beigeordneter“ der Hansestadt. Vor 50 Jahren wurde er dafür mit einer Geldstrafe belegt  ■ Von Bernhard Röhl

Das Urteil des Gerichts fiel nicht gerade drakonisch aus. Mit einer Geldstrafe von 10.000 Reichsmark hielt die Bielefelder Spruchkammer am 18. August 1948 das Wirken Carl Vincent Krogmanns als Regierender Bürgermeister Hamburgs zwischen 1933 und 1945 für ausreichend abgegolten. Eine „entehrende Freiheitsstrafe“, so die Urteilsbegründung, könne dem Angeklagten angesichts „seiner einwandfreien Persönlichkeit, seines Werdegangs und seiner Tätigkeit“ erspart bleiben.

Am 3. März 1933 war der Hamburger Senat unter seinem Bürgermeister Carl Wilhelm Petersen zurückgetreten, weil er dem Ansinnen des Hamburger Gauleiters der NSDAP, Karl Kaufmann, nicht entsprechen wollte, der das Verbot der SPD-Zeitung Hamburger Echo verlangt hatte. Sechs Tage später füllte Carl Vincent Krogmann die Lücke. Die „alten Kämpfer“ in den braunen Reihen murrten: Krogmann war schließlich kein Parteigenosse. Aber Adolf Hitler selbst, der neue „Reichskanzler und Führer“, hatte die Wahl des Sprosses einer Hamburger Reederfamilie ausdrücklich „erlaubt“, gehörte doch Krogmann seit dem Vorjahr zum „wirtschaftspolitischen Beraterkreis“ des NSDAP-nahen Industriellen Wilhelm Keppler. Zusammen mit Kurt Woermann, Emil Helffrich und Franz Heinrich Witthoefft bildete Krogmann ein Quartett, das für die Traditionsnamen des hanseatischen Überseehandels stand.

Den Parteibeitritt holte der frischgebackene Erste Bürgermeister am nächsten „Tag der Arbeit“, dem 1. Mai 1933, nach. Neun Tage später verlas er im Rathaus seine Regierungserklärung. Sie enthielt zunächst ein paar warnende Worte an „die sogenannten Konjunkturjäger“, die angesichts der „neuen Zeit“ nun „schnell den Mantel nach dem Winde hängen“. Aber auch anderen verkündete Krogmann nichts Gutes. Jüdischen Rechtsanwälten sei in Hamburg mit sofortiger Wirkung gemäß dem neuen Arier-Paragraphen im Reichsgesetz Nummer 44 die Zulassung entzogen. Und dank der Reform der Staatspolizei sei Hamburgs Bevölkerung „in ganz kurzer Zeit vom Druck der kommunistischen Unruhestifter“ befreit worden.

Hamburgs „Regierender“ sah sich allerdings bald einem Druck ganz anderer Art ausgesetzt. Als „Gauleiter und Reichsstatthalter“ war der 33jährige Karl Kaufmann nicht gewillt, den neuen Parteigenossen anders als repräsentativ seines Amtes walten zu lassen. 1936 ließ er sich von Hitler zum „Führer der hamburgischen Landesregierung“ ernennen und erfand für Krogmann den Titel des „Ersten Beigeordneten“, der nun auch nicht mehr vom Senat gewählt, sondern vom Gauleiter ernannt wurde. Der Hamburger Volksmund witzelte denn auch vom „Regierten Bürgermeister“, für den „der Wunsch Kaufmanns praktisch Befehl war“, wie Krogmann selbst in einem Nachkriegsverhör bekundete.

Auf allzugroßen Widerstand stieß Kaufmanns Macht- und Postenhunger allerdings nicht. Bescheinigte doch selbst Senatssyndikus Paul Lindemann dem Bürgermeister von Gauleiters Gnaden, daß Krogmann „politisch in der Pubertät steckengeblieben“ sei.

Der so Eingeschätzte wußte sich allerdings in großer Zeit und diktierte „täglich Erlebtes“ in sein Tagebuch, das 1976 unter dem Titel „Es ging um Deutschlands Zukunft“ erschien. Darin findet sich etwa die Wiedergabe eines nächtlichen Meinungsaustausches zwischen Hitler, Himmler und Krogmann, der in einer Suite des Hotels Atlantic um die Vorzüge von Schwarzbrot kreiste. Um dessen gesundheitsfördernde Eigenschaften zu propagieren, lauschte Krogmann dem Führer ab, „müsse man den Frauen sagen, das Essen von Schwarzbrot verhindere Runzeln“. Auch finde Hitler die Uniformen des „Bundes Deutscher Mädchen“ alles andere als kleidsam, hielt Krogmann für die Nachwelt fest. Seine Frau Emerentia ging daheim prompt ans Werk und entwarf einige Alternativmodelle, die „aber wohl nicht in Hitlers Hände gelangten“, wie der Gatte feststellen mußte. Dafür durfte er den Führer dann aber am 17. August 1934 durch die Werft Blohm & Voß führen und eine Begeisterung vermerken, „wie man sie in der Arbeiterschaft bisher wohl selten gesehen hat“. Der Führer war denn auch „tief gerührt“, als Hamburgs Bürgermeister ihm versicherte: „Wir folgen Ihnen, wohin Sie uns führen!“

Carl Vincent Krogmann führte seine Folgsamkeit in ein Internierungslager in der Lüneburger Heide, nachdem ihn der britische Militärgouverneur Hamburgs am 11. Mai 1945 zusammen mit fünf anderen „Politischen Leitern“ der Hansestadt hatte verhaften lassen. Dort gaben sie zu Protokoll: „Wir Hamburger Politischen Leiter nehmen für uns in Anspruch, daß die Persönlichkeit unseres Gauleiters uns davor bewahrt hat, Handlungen zu begehen bzw. Kenntnis von solchen Plänen und Taten zu erlangen, die in den Nürnberger Prozessen dem Führerkorps als verbrecherisch zur Last gelegt werden.“

Dieser Sichtweise konnte sich im Falle Carl Vincent Krogmanns offenbar auch das Bielefelder Gericht nicht verschließen und befand, daß die Strafe von 10.000 Reichsmark durch die dreijährige Internierungshaft abgegolten sei. Und so konnte die „Hamburger Freie Presse“ am Sonntag nach der Urteilsverkündung berichten, daß „Herr Krogmann im Uhlenhorster Fährhaus zu Mittag gegessen hat, herzlich begrüßt von zahlreichen Gästen.“

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