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Der doch ganz andere Star

Gesichter der Großstadt: Peter Közle ist der Fußballer, der den 1. FC Union in die zweite Liga führen soll. Doch das Image des „anderen Stars“ ist für den Kicker endgültig passé  ■ Von Jürgen Schulz

Peter Közle kam im dicken Mercedes eines Sponsors zum ersten Arbeitstag beim Köpenicker Fußball-Klub 1. FC Union vorgefahren. Weil der neue Hoffnungsträger im Mittelfeld der Wuhlheider Starallüren eigentlich nicht mag, flüchtete er in abgelatschten Turnschlappen flugs in die Kabine des Stadions „Alte Försterei“. Trotzdem sorgte sein Transfer vom Bundesligisten VfL Bochum zum zwei Klassen tiefer angesiedelten Amateurverein aus Berlin überregional für Aufsehen.

„Eigentlich wollte ich nach Österreich oder in die Schweiz zurückkehren“, gesteht der 30jährige, der sportlich beim deutschen Rekordmeister Bayern München groß wurde, bevor er in Zürich und Bern reüssierte.

Denn von seinem sportlichen Vaterland hatte er gestrichen die Nase voll. „In Deutschland kam für mich nur ein Wechsel nach Berlin oder Hamburg in Frage“, sagt der ehemalige Bochumer.

Für den Kicker sollte dies ein erneuter Start in einer deutschen Liga werden. 1993 war der technisch beschlagene Mittelfeldspieler aus der gemütlichen Schweiz ins Rampenlicht der Bundesliga zum MSV Duisburg übergesiedelt, wo die Fans den Neuen schnell zum Ruhrpott-King krönten.

Ein schneller Antritt, Drang zum Strafraum, schöne Tore, lockere Sprüche und wehendes Langhaar – der „andere Profi“ Közle, der den Anhängern das Gefühl gab, „einer von uns“ zu sein, kam an in Schimanski-City.

Das ging nur so lange gut, wie der Erfolg stimmte. Als der MSV ins Schlingern geriet und Richtung Bundesliga-Keller wanderte, mußte der Bayer als Sündenbock für den Mißerfolg herhalten. Der als Supermann gefeierte, war plötzlich der Outlaw.

Közle erhielt Drohungen, seine Frisur wurde plötzlich zum lohnenswerten Skalp, seine Disco-Besuche zum Verrat am Klub. Am liebsten hätten ihn durchgeknallte Fans am Goldkettchen aufgehängt.

„Wenn man sich gibt, wie man ist“, weiß Közle heute, „gilt man schnell als Luftikus. Dabei habe ich genauso professionell gearbeitet und mir den Arsch aufgerissen wie die anderen.“

Közle tauchte unter. Sein Wechsel in die Nachbarstadt Bochum lag nicht nur geographisch nahe. Auch das nach vorn orientierte Spiel kam dem Ballverteiler und Angreifer entgegen. Bochum schickte sich an, als ewig graue Maus der Bundesliga auch einmal anders sein zu wollen. Doch in der vorigen Saison wurde der Balltreter auch an der Ruhr nicht mehr recht glücklich.

Ständig plagten ihn Verletzungen, was zuletzt sein Verhältnis zu Trainer Klaus Toppmöller trübte. Lediglich zehn Einsätze absolvierte der einst gelobte Spiellenker in der Saison bei den VFLlern.

Wohin des Weges? Obwohl er weder seinen neuen Arbeitgeber noch den Fußball-Osten kannte, unterschrieb der Profi vor der laufenden Spielzeit beim einstigen DDR-Pokalsieger 1. FC Union einen Dreijahresvertrag. „Der Verein wird professionell gemanagt und hat Perspektiven“, begründete Közle seinen sportlichen Abstieg in die Anonymität der Regionalliga.

An der Spree will der Lockenkopf mit dem medienwirksamen Zopf sein Image als Paradiesvogel loswerden. „Ich kann die alten Storys nicht mehr hören.“ Folglich gewährt der bekennende Apfelschorletrinker den Medien kaum noch Einblick in seine Privatsphäre.

Wer sich heute mit ihm unterhält, wird das Gefühl nicht los, das Image vom „anderen Profi“ hat Közle nicht nur angekratzt, er will wirklich anders sein. Nämlich so, wie jeder, der einfach nur seinem Job nachgeht.

Journalisten, die wie einst jeden Tag einen neuen Aufmacher über ihn veröffentlichen wollen, blockt Közle ab. Er habe das Ganze nicht nur satt, sagt er. Zugleich ziele der Medienrummel auf eine Stilisierung seiner Person, hinter der das eigentliche Profisein verschwände. Es habe lange gedauert, bis die Kampagnen für und gegen ihn endlich von der Tagesordnung genommen wurden. Und das soll so bleiben. „Jetzt bin ich nicht mehr der, der jeden Montag mit irgendso einer Geschichte in der Presse drinsteht, die überhaupt nicht richtig recherchiert worden war“, poltert er los. „Den ganzen ollen Mist zu lesen, habe ich sowieso keine Lust, damit hat es ein Ende.“

In der Wuhlheide will er denn nur noch auf dem Fußballplatz für Schlagzeilen sorgen. „Peter ist ein echter Typ, der paßt zum Verein“, schnalzt Union-Trainer Ingo Weniger mit der Zunge. Die Fans haben ihren Peter lieb, im ersten Heimspiel gegen Lokalrivale Croatia feierten sie den Bundesliga-Import mit Standing ovations.

Der Mann im rotweißen Trikot, dessen Eleganz am Ball auffällt, zahlt es ihnen mit gleicher Münze zurück. „Ich bin sensationell gut aufgenommen worden. Die Menschen hier sind ehrlich, ich mag diese Mentalität. Mit Leuten, die sagen, was sie denken, hatte ich noch nie Probleme.“

In der Hautpstadt hat er endlich jene Anonymität gefunden, die er in Bochum als Schutzschild arg vermißte. „In Berlin habe ich Spaß an meinem Beruf“, so Közle, „ich kann auch mal essen und etwas trinken gehen, ohne gleich erkannt zu werden.“ In Lichtenberg („Dort kenne ich mich aus“) hat er sich niedergelassen. „Ich brauche nicht den Ku'damm oder Halligalli“, meint der Unioner trotzig.

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