: 400 Millionen Mark an Westfirmen
■ Das Geld ging an Dörries Scharmann und Senator Linie. Vulkan-Bosse keiner Schuld bewußt.
Zweieinhalb Jahre hat Staatsanwalt Burkhard Quick in seinem Zimmer unterm Dach Geschäftsberichte verglichen, Akten gewälzt, Verträge geprüft und Zeugen vernommen. Gestern um elf Uhr war die Stunde des 53jährigen Juristen gekommen. Die Vulkan Manager Hennemann, Zinken und Schmidt hätten gegen ihre Vermögensbetreuungspflicht verstoßen, sagte Quick auf der Pressekonferenz im Rathaus in die Kameras und Mikrophone der bundesdeutschen Journaille. Insgesamt 854 Millionen Mark seien auf diese Weise im zentralen Cash-Management des Bremer Vulkan versickert. „Es ist richtig, wenn Sie schreiben, die Anklage enthält keine Überraschungen“, sagte Quick, der früher Fachanwalt für Steuerrecht war.
Allein 400 Millionen Mark sind seinen Ermittlungen zufolge in die Kasse der Dörries Scharmann AG und der Bremer Senator Linie geflossen. Auch die Restbeteiligung an Atlas Elektronik in Höhe von 140 Millionen Mark sei Mitte 94 von diesem Geld bezahlt worden. Ab 1993 habe der Bremer Vulkan mit der MTW Schiffswerft Wismar und der Volkswerft Stralsund sogenannte Geldmarktgeschäfte getätigt. Die Vorstände des Bremer Vulkan hätten dabei „den Eindruck erweckt“, daß die Werften ihr Geld über den Vulkan bei Banken angelegt hätten. Das sei jedoch nie der Fall gewesen. Noch im Oktober 1995 habe die MTW ein Geldmarktgeschäft in Höhe von 400 Millionen Mark mit einer Laufzeit bis Ende 1996 mit dem Bremer Vulkan abgeschlossen. In den Unterlagen über diese sogenannten Geldmarktgeschäfte habe er immer wieder den Vermerk: „Der Bremer Vulkan hat keine Vermittlungsgebühr kassiert“ gefunden, erzählte Quick. Er frage sich nur, wofür der Vulkan hätte eine Vermittlungsgebühr berechnenen wollen.
Scharfe Kritik mußte sich der Staatsanwalt von dem Rechtsanwalt Norbert Parlow anhören. Parlow verteidigt den Ost-Manager Hartmuth Rausch, der bei der Volkswerft in Stralsund für den Verlust von 68,85 Millionen Mark verantwortlich gemacht werden soll. Warum die Ost-Manager sich neben Hennemann auf die Anklagebank setzen müßten, wollte Parlow wissen. Schließlich hätten die Ost-Werften ihre Sanierungshilfen verloren. Die Staatsanwaltschaft mache „die Opfer zu Tätern“. Quick wollte auf diese Frage nicht antworten, er verwies allerdings darauf, daß „das Wort Opfer“ aus seiner „Feder“ auch in der Anklageschrift stünde.
Die mitangeklagten Vorständler Schnüttgen, Zinken und Smidt haben derweil durch ihre Anwälte erklären lassen, daß sie sich keiner Schuld bewußt seien. Hennemann selbst sagte gestern auf Nachfrage der taz. Das es ihm trotz der Anklageerhebung „sehr gut“ ginge. Über die Anklageschrift könne er nichts sagen, weil sie ihm noch nicht zugestellt worden sei. „Ich kann nicht über einen Text diskutieren, den ich noch gar nicht habe“, sagte Hennemann. Auch sein Anwalt habe nur eine zehnseitige Zusammenfassung. Sobald ihm die Anklageschrift zugestellt worden sei, werde er sich aber „sorgfältig mit den Vorwürfen auseinandersetzen.“ Die Staatsanwaltschaft hält dagegen, daß es durchaus üblich sei, nur den Anklagesatz, also eine Zusammenfassung zu schicken. Außerdem hätte Hennemann sich Anklageschrift bei Gericht abholen können.
Eine persönliche Bereicherung an den Vulkan-Millionen hat Staatsanwalt Quick dem ehemaligen Konzernchef Hennemann nicht nachgewiesen. Wie berichtet waren die Ermittler bei Hennemann auf ein Vermögen von rund sechs Millionen Mark gestoßen, das auf verschiedenen Auslandskonten deponiert war. Darüber hinaus nennt Hennemann 19 Immobilienobjekte sein Eigen. Die Abfindung in Höhe von zwei Millionen Mark, die Hennemann für seinen Rausschmiß bei Vulkan kassiert hat, zählt nicht zu den sechs Millionen. Das Geld wurde 1994, 1995 und Anfang 1996 auf seine Konten überwiesen. Die Abfindung ging erst Monate später ein. Mit dieser Frage habe er sich „nicht besonders intensiv“ befaßt, räumte Quick ein. Das wäre Gegenstand eines anderen Verfahrens, wich der Staatsanwalt aus. Die Steuerfahndung ist mit ihren Ermittlungen gegen Hennemann nämlich noch nicht am Ende.
Kerstin Schneider
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