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Geteilte Stadt in Sachen Marktwirtschaft

■ Während in den Westbezirken immer mehr kommunale Wochenmärkte eröffnen, haben sich im Ostteil der Stadt private Betreiber fast ein Marktmonopol mit erhöhten Standmieten gesichert

Nicht überall läuft das Marktgeschehen auf den über 120 Wochenmärkten Berlins so schlecht, wie es einige Betreiber oder Händler gerne behaupten. Glaubt man Hans Brombosch, dann läuft es, zumindest in Charlottenburg, sogar außerordentlich gut. Für den stellvertretenden Wirtschaftsamtsleiter ist es deshalb „völlig normal“, daß am Donnerstag in der Suarezstraße der nunmehr neunte kommunale Wochenmarkt in Charlottenburg eröffnet.

Der Markt mit den kommunalen Märkten, ist Brombosch überzeugt, boomt. Zwei der Charlottenburger Wochenmärkte sind sogar zu hundert Prozent ausgelastet. Und das Charlottenburger Marktamt mit seinen fünf Mitarbeitern ist zufrieden. „Der Betrieb kommunaler Märkte rechnet sich bei uns, obwohl wir mit den Gebühren an der unteren Preisskala liegen“, freut sich Brombosch.

Zwischen 70 Pfennig und 3,25 Mark pro laufender Meter und Markttag dürfen die bezirklichen Marktämter, die nach dem Krieg die Marktaufsicht von der Polizei übernommen haben, von den Händlern verlangen. Gewinne dürfen sie nicht machen, wohl aber steigende Gebühren, etwa für die Stadtreinigung, an die Händler weiterreichen. Für immerhin sieben von zwölf Westberliner Bezirken ist das eine, nicht nur bei den Bürgern, sondern vor allem auch den Markthändlern, liebgewordene Tradition. Schließlich liegen die Standgebühren bei Privatmärkten oftmals deutlich über denen der kommunalen Märkte.

Vor allem die Händler in den Ostbezirken haben darunter zu leiden. Kommunale Märkte gibt es auf ehemals volkseigenem Gelände lediglich in Friedrichshain, Köpenick, Marzahn und Pankow. In den anderen Ostbezirken, so heißt es in Händlerkreisen, hätten sich die Bezirksämter nach der Wende von findigen Marktbetreibern über den Tisch ziehen lassen und teilweise Verträge mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren abgeschlossen. Zumindest für die privaten Marktbetreiber ein lukratives Geschäft: Sie mieten bei den bezirklichen Tiefbauämtern die Fläche für ein paar Pfennig pro Quadratmeter und geben sie für teures Geld an die Händler weiter.

Auf absehbare Zeit wird sich daran auch nichts ändern. Im Osten wird nicht an weitere Kommunalisierung gedacht, in den Westbezirken ist die vor einigen Jahren noch diskutierte Privatisierung der kommunalen Märkte vom Tisch. In Sachen Marktwirtschaft ist Berlin, freilich unter umgekehrten Vorzeichen, noch immer eine geteilte Stadt.

Mittlerweile scheint sich diese Teilung sogar mehr denn je festzusetzen. Neue Anfragen von Marktbetreibern, so heißt es aus Prenzlauer Berg, gebe es nicht. Auch in Mitte ist die Versorgung mit den privaten Wochenmärkten vor dem Roten Rathaus, am Spittelmarkt und der Schillingstraße mehr schlecht als recht.

Und während sich unterm Magistratsschirm in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg oder am Boxhagener Platz in Friedrichshain viele Kunden über die „Verramschung“ der Märkte beklagen, erfreuen sich die kommunalen Märkte im Westen nicht nur bei den Kunden, sondern, trotz des Gebührenstreits in Schöneberg, auch bei den Händlern anhaltender Beliebtheit. Die Folge: Nicht nur in Charlottenburg eröffnen neue Märkte, sondern auch in Wilmersdorf oder in Spandau.

Für den stellvertretenden Wirtschaftsamtsleiter von Charlottenburg könnte dies sogar unmittelbar zusammenhängen. „Der Boom, den wir derzeit erleben, ist womöglich eine Folge des Weg- oder Rückzugs vieler Händler aus dem Osten“, sagt Hans Brombosch. Eine Beobachtung, die auch zahlreiche Händler am Winterfeldtmarkt machen. „Zu weit weg, zu teuer“, sagt ein Gemüsehändler zu den Privatmärkten in Friedrichshain oder Prenzlauer Berg. „Der Osten hat seine Chance verpaßt.“

Das freilich will nicht jeder auf sich sitzen lassen. Vor allem nicht die Direktvermarkter landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus dem Oderbruch, die sich nun unter dem Label „Die Bauernmärker“ zusammengeschlossen haben. Anfang August präsentierten sich die Kleinerzeuger auf einem Gemeinschaftsstand am privaten Wochenmarkt vor dem Roten Rathaus. Und künftig, so hat es der Vereinsvorsitzende Andreas Schmidt angekündigt, wolle man auch auf den Märkten in Mitte, Friedrichshain und Steglitz präsent sein. Nicht mit „Weißwäsche“ oder Trainingsanzügen aus Ballonseide, sondern mit gelben Zucchini und Wachteleiern. Uwe Rada

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