: Eine neue Festung für den Bundesanwalt
Die Bundesanwaltschaft erhält für 66 Millionen Mark ein eigenes Gebäude in Karlsruhe, das vom Stararchitekten Ungers entworfen wurde. Allein die Fenster sollen dem Treffer einer Panzerfaust standhalten ■ Aus Karlsruhe Christian Rath
„Dieses Gebäude ist Stein gewordene Innere Sicherheit.“ So weihte gestern Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) in Karlsruhe die neue Festung von Generalbundesanwalt Kay Nehm und seiner Behörde ein.
Das Gebäude an sich sieht eigentlich gar nicht so martialisch aus. Mit seiner strahlend weißen und nach innen gewölbten Fassade versprüht es sogar einen Hauch von Strandhotel. Daß jedes der Fensterelemente 1,4 Tonnen wiegt und sogar einer Panzerfaust standhalten würde, erkennt der ungeübte Betrachter nicht. Doch rings um das vom Kölner Stararchitekten Oswald Mathias Ungers konstruierte „Stadtpalais“ verläuft eine Art „Chinesische Mauer“, fünf Meter hoch und vier Meter breit. Auf ihr könnte man sogar spazierengehen – wenn man nur dürfte. Und im Innern der „Mauer“ warten Verdächtige auf ihr Verhör und die Autos der Bediensteten auf die Heimfahrt.
Statt Stacheldraht finden sich auf dieser Mauer allerdings nur zwei Reihen Ligusterhecke. „Da haben wir uns gegenüber dem LKA durchgesetzt“, erklärt Ungers. Doch als er erläutern will, wie Kameras und anderes Orwell-Zubehör hübsch in den Bau integriert werden konnten, fällt ihm schnell ein Beamter ins Wort. Vor der Presse soll er doch lieber über Kunst am Bau und ähnliche Dinge reden. „Kunst am Bau“ gibt es nämlich jede Menge in und um die neue BAW-Festung. Immerhin 700.000 Mark von 66 Millionen Mark Baukosten wurden dafür aufgewendet: Gemälde, Skulpturen und Steinplatten mit poetischen Variationen über „Wildblumen“. Bislang siedelten die 190 MitarbeiterInnen der Bundesanwaltschaft (BAW) in einem Einfachbau aus den 50er Jahren auf dem Gelände dese Bundesgerichtshofes (BGH), etwa zwei Kilometer entfernt. Dieses Gebäude, das von außen den Charme eines Aussiedlerwohnheimes versprühte, platze schon längst aus allen Nähten. Wie um im Bild zu bleiben, wurden Anfang der 90er Jahre auch einige Bundesanwälte in Containern hinter dem Haus untergebracht.
Schuld an allem ist natürlich der Terrorismus – weil er die Behörde so stark wachsen ließ. Allein von 1976 bis 1979 wurde das Personal um mehr als 50 Prozent aufgestockt. Heute, nach dem geordneten Rückzug der RAF, ist jedoch an eine Rückkehr zu alter Bescheidenheit nicht zu denken. Die kurdische PKK und der Völkermord in Exjugoslawien brachten neue Betätigungsfelder, auch die türkischen Linksextremisten von Dev Sol sind in Flügel zerfallen und bekämpfen sich nun in deutschen Wohnungen. Bei der BAW schließt man nicht einmal aus, daß die Behörde weiter wachsen wird. Hinter der „Chinesischen Mauer“ im neuen Domizil ist bereits Platz für einen Erweiterungsbau eingeplant.
Was aber wird sich nun beim Bundesgerichtshof ändern? Dessen bunkerähnlicher Ausbau war vor allem mit der Anwesenheit des Generalbundesanwalts begründet worden. Immerhin war 1977 der damalige Amtsinhaber Siegfried Buback nur wenige hundert Meter von seinem Amtssitz entfernt von der RAF erschossen worden. Und kurz zuvor hatte die RAF in einem nahe liegenden Haus ein Flächenschußgerät Marke „Stalinorgel“ installiert – das aber nicht losging.
Der frühere BGH-Präsident Odersky wollte die BAW schon lange loswerden, um seinen Gerichtshof wieder etwas offener gestalten zu können. Jetzt läuft erst mal ein Architekturwettbewerb. Dabei geht es zum einen um die Frage, wie das jetzt freigewordene Gelände für BGH-Erweiterungsbauten genutzt werden kann. Zum anderen soll aber auch überprüft werden, ob ein Abbau von Sicherheitsvorkehrungen möglich ist. Nach wie vor gefährdete Einrichtungen, wie die BGH-Ermittlungsrichter, könnten dann in „Sicherheitsinseln“ untergebracht werden, während das vier Hektar große, parkähnliche BGH-Gelände wieder zum Flanieren einladen würde – wie früher.
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