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Pyro-Nachhilfe

Will Alchemie sein, aber von Gold keine Spur: „Enerzik“ der israelischen ZIK-Group  ■ Von Barbora Paluskova

Wer die Urkraft der Elemente demonstrieren will, braucht nur eine halbleere Haarspraydose ins Feuer zu werfen. Und sollte, bevor sie explodiert, aus Sicherheitsgründen ein paar Schritte nach hinten treten (kleiner Tip: immer schön Abstand halten von Mensch, Tier, Baum und Haus). Die ZIK Group geht wesentlich effektvoller und auch gefahrloser zu Werke, tut aber im Grunde das gleiche. Ihre Enerzik genannte Performance, derzeit im Rahmen des Sommertheater Festivals auf Kampnagel zu sehen, führt demonstrativ die Bändigung von Naturgewalten vor. Doch kann sich eine Orientierungsstunde für Nachwuchspyromanen, auch wenn sie unter Berücksichtigung verschiedenster physikalischer Erscheinungen quasi ganzheitlich konzipiert ist, ein Theaterstück nennen?

Die israelische Gruppe, 1985 von Künstlern der „Bezalel Academy of Art and Design“ in Jerusalem gegründet, stellt auf dem Programmzettel mögliche Definitionen ihrer Tätigkeit vorsorglich in Frage: „Installation? Alchemistisches Labor? Theater? Performance?“ Die beiden ersten Möglichkeiten treffen noch am ehesten zu. Archaisch anmutende Maschinen sind in der Vorhalle der k6 aufgebaut. Ein Konzertflügel liefert den Soundtrack in Form von romantisch-düsteren Harmonien. Vier Alchemisten in blauen Sicherheitsoveralls bewegen sich gemessenen Schrittes durch den Raum. Die Männer bedienen Flaschenzüge und Flammenquellen. Metall wird geschmolzen. Wasser wirbelt im transparenten Sockel einer riesigen Schautöpferscheibe umher. Vasen werden geformt, gebrannt und Belastungstests unterzogen. Von einem Objekt, das Omas Wohnzimmerlampe ähnelt, rieselt Sand herab. Sieht gut aus, kein Zweifel, und ist auch symbolisch. Feuer kommt meist kegel-, Wasser eher kugelförmig vor; die Erde tritt als Sand und Lehm auf, und Luft ist ja sowieso da und riecht nach brennbaren Substanzen.

Zweimal kommt es zum Elementencrash, und das sind wohltuende Schreckmomente in der 50 Minuten dauernden Aufführung. Doch dann übernehmen wieder Langsamkeit und Dignität die Federführung, und man hat ausreichend Zeit, sich Fragen zu stellen. Wie bringt die ZIK Group den Sand zum Brennen? Wieviel Wasser faßt ein ungebranntes Tongefäß, bevor es platzt? Interessante Phänomene, die aber im Grunde nicht viel mit Theater zu tun haben. Noch nicht einmal mit Alchemie, wenn man es genau nimmt. Denn wer nach der Vorstellung die Chance nutzt, die installierten Objekte aus der Nähe zu betrachten, findet bloß die puren Ausgangselemente wieder: Feuer, Wasser, Erde, Luft, Metall, Holz, Textil und Spiegelscherben. Von Gold keine Spur.

noch bis Samstag, 21.30 Uhr, Kampnagel, Vorhalle 6

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