: Todesurteile in Sierra Leone
■ Unterstützer der früheren Militärjunta sollen am Galgen sterben. Weitere Prozesse gegen politische Gegner der Regierung sollen folgen
Freetown/Berlin (AFP/taz) – Ein Gericht im westafrikanischen Sierra Leone hat 16 Todesurteile gegen „Kollaborateure“ der früheren Militärjunta verhängt. Die 16 sollen wegen „Landesverrats“ am Galgen sterben, verkündete das Oberste Gericht in der Hauptstadt Freetown am Dienstag. Unter ihnen befindet sich der Sprecher der ehemaligen Militärjunta, Alieu Kamara, die früheren Direktoren der Zentralbank und der Handelskammer sowie fünf Journalisten. Die Verurteilten haben 21 Tage Zeit, um Berufung einzulegen.
In Sierra Leone hatte von Mai 1997 bis Februar 1998 eine Militärjunta unter Leitung von Johnny Koroma geherrscht, die den gewählten Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah mit Hilfe der Guerillabewegung „Revolutionäre Vereinigte Front“ (RUF) gestürzt hatte. Die Militärjunta wurde schließlich von Nigeria im Rahmen einer Intervention der westafrikanischen Eingreiftruppe „Ecomog“ gestürzt und Tejan Kabbah wieder in sein Amt eingesetzt. Seitdem führt die Ecomog-Eingreiftruppe einen blutigen Krieg gegen Reste der Junta und der RUF und stellt gleichzeitig deren Unterstützer vor Gericht.
Neben dem jetzt beendeten Verfahren laufen derzeit in Sierra Leone drei andere Prozesse wegen Hochverrats. Einer läuft gegen einen früheren Staatspräsidenten, Joseph Momoh, sowie gegen den Justizminister der gestürzten Junta, Ajibola Manley Spaine. Ein zweiter betrifft 20 Zivilisten, ein dritter 38 Militärs. Außerdem soll RUF-Chef Foday Sankoh, der am 25. Juli aus der Haft in Nigeria nach Sierra Leone ausgeliefert wurde, demnächst wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor Gericht kommen. Der frühere Juntachef Johnny Koroma befindet sich immer noch auf der Flucht.
RUF-Führer Sankoh hat seine Anhänger zwar zur Einstellung des Kampfes aufgerufen, aber seine Kommandanten im Busch ignorieren diesen Aufruf. Die Regierung hat offiziell zu Wochenbeginn mit UN-Unterstützung ein Demobilisierungsprogramm für Angehörige kämpfender Gruppen gestartet. Doch seit am 8. August eine Amnestie für RUF-Kämpfer, gegen Straffreiheit den Kampf aufzugeben, auslief, hat die Ecomog- Eingreiftruppe eine Großoffensive gegen ihre verbliebenen Gegner gestartet. 350.000 Menschen – über ein Zehntel der Bevölkerung – haben nach UN-Angaben in den Kämpfen seit Februar ihre Heimat verloren.
Faktisch hat Nigerias Militär das Sagen in Sierra Leone. Der nigerianische Ecomog-Kommandant Timothy Shelpidi wurde kürzlich zu Sierra Leones Generalstabschef ernannt. D.J.
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