: „Das war dann so einfach“
■ Vier Monate Haft auf Bewährung für einen Familienvater, der sich wiederholt Kinderpornos aus dem Internet besorgte
Der Begriff „triebgesteuert“ fällt zwar nicht. Doch so, wie Gerald G. vor Gericht über seine Taten spricht, könnte man den Eindruck gewinnen, er sei ein Junkie, der wie ferngesteuert durch seine Sucht gehandelt habe: „Irgendwie hat mich das gepackt“, beschreibt er seine Nächte im Internet. Und daß er schon dachte, er „hätte das im Griff“, als er sich plötzlich doch wieder vor dem Foto eines achtjährigen Mädchens wiederfand, das gerade vergewaltigt wurde. Wegen des Verschaffens pornographischer Schriften verurteilte ihn das Hamburger Amtsgericht gestern zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung.
Gerald G. sieht aus wie ein Schuljunge, den man für den wichtigen Termin in einen dunklen Nadelstreifenanzug gesteckt hat. Trocken wie ein Matheschüler eine Rechenaufgabe beschreibt der 28jährige seinen Weg zu den Kinderpornobildern im Internet: „Zufällig“ habe er die Adresse in einer Zeitschrift gelesen, „das war dann so einfach“.
Über 100 Disketten mit Fotos mißbrauchter Kinder fand die Polizei bei der ersten Wohnungsdurchsuchung im Januar, dazu einiges Material auf der Festplatte und 63 Farbausdrucke von Bildern. Die Polizei beschlagnahmte Fotos und Festplatte, zwei Wochen später hatte G. sich eine neue gekauft. „Ich war froh, daß ich wieder Computerspiele machen konnte“, sagt er. Dann sei er auch wieder online gegangen, und schnell waren auch wieder die Fotos vergewaltigter Kinder auf dem Bildschirm. Erst habe er sie noch am gleichen Abend gelöscht, irgendwann dann nicht mehr. Bis die Polizei im März ein zweites Mal zur Durchsuchung kam. Diesmal nahm sie den ganzen Rechner mit.
Gerald G. ist Vater von zwei Kindern im Alter von sechs und acht Jahren. Er beteuert, daß er „noch nie den Gedanken gehabt habe, ein Kind anzufassen“. Daß das Betrachten des virtuellen die Vorstufe zum praktizierten Kindesmißbrauch sein könnte, ist ihm durchaus klar: „Wenn ich nicht angezeigt worden wäre, hätte es sein können, daß ich mich auf Dauer nicht mit Bildern zufriedengegeben hätte.“ Richter Raphael Krispien betont das „sehr große Leid“, das den so leicht zu konsumierenden Bildern schon vorausgegangen sei: „Das tut man den Kindern auch durch den Konsum der Bilder immer wieder an.“
Gerald G. war von seiner Ex-Freundin angezeigt worden, die die Bilder auf seinem Computer entdeckt hatte. Ohne derartige Hinweise tut die Polizei sich schwer, Anbieter und Konsumenten von Kinderpornographie zu ermitteln. In Bayern dürfen die zuständigen BeamtInnen verdachtsunabhängig durchs Netz surfen, in Hamburg müssen sie zuvor einen Hinweis haben. Dann kann die Polizei zwar auch „verdeckt“ ermitteln, indem sie sich unter falschem Namen ins System einloggt. So kann sie zwar Anbieter ermitteln, kaum jedoch Konsumenten, die nur für Sekunden online sind. Die machen sich in dem Moment strafbar, in dem sie ein kinderpornographisches Bild speichern. Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen