Libyens Staatschef lenkt ein

Die beiden angeblichen Lockerbie-Attentäter werden nun in den Niederlanden vor Gericht gestellt. Muammar al-Gaddafi interpretiert dies als Kompromiß  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Geht die Lockerbie-Affäre ihrem Ende entgegen? Berichte der letzten Tage erwecken den Anschein. Nun hat auch Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi der Ausweisung zweier für den Anschlag auf den PanAm- Flug 103 verdächtigter Libyer zugestimmt – im Prinzip.

Gaddafis Einlenken war ein Zugeständnis der USA und Großbritanniens vorausgegangen. US-Außenministerin Madeleine Albright hatte am Montag offiziell akzeptiert, daß den beiden verdächtigten Libyern in den neutralen Niederlanden der Prozeß gemacht werden kann, allerdings nach schottischem Recht und mit schottischen Richtern.

Bisher hatten die USA und Großbritannien auf einer Auslieferung in eines der beiden Länder bestanden. Mit ihrem Entgegenkommen hatten sie de facto einem schon seit Monaten kursierenden Kompromißvorschlag der Arabischen Liga zugestimmt. Nur in einem neutralen Land, so die Argumentation, wie auch die der libysche Staatsführung, sei ein fairer Prozeß gewährleistet.

Libyen sieht die Entwicklung als Einlenken auf einen von arabischer Seite schon lange unterbreiteten Vorschlag. „Wir akzeptieren die neusten Veränderungen in der amerikanischen und britischen Position in eine Richtung, die Libyen schon seit langer Zeit gefordert hat“, heißt es in einer Erklärung des libyschen Außenministeriums vom Mittwoch abend.

Die Gretchenfrage lautet nun, was der UN-Sicherheitsrat beschließen wird, der vor sechs Jahren aufgrund der Nichtauslieferung ein Luft- und Waffenembargo gegen das nordafrikanische Land beschlossen hatte. Nach Albrights Ankündigung, den Prozeß in den Niederlanden stattfinden zu lassen, hatte der UN-Sicherheitsrat begonnen, die Umstände für ein mögliches Aufheben des UN- Embargos gegen Libyen zu diskutieren. Dessen Staatsführung fordert nach seiner jetzigen Entscheidung eine sofortige Aufhebung der Sanktionen. Offen bleibt die Frage, wie die beiden angeblichen libyschen Geheimdienstler ausgeliefert werden, und wer für ihre Sicherheit zuständig ist. Die Arabische Liga hatte vorgeschlagen, daß sie für ein entsprechendes Reisearrangement verantwortlich sein könnte. Die libysche Führung hat sich allerdings noch eine Hintertür offengehalten. „Die Zustimmung gilt nur, wenn keine weiteren Bedingungen an das jetzige US-Angebot geknüpft sind“, hieß es in einer Erklärung, die im libyschen Fernsehen verlesen wurde. Zuvor hatte Libyen über einen Vertreter bei der UN erklärt, es müssen den Vorschlag zunächst sorgfältig prüfen und benötige dazu mehr Zeit. Auch in den Vereinigten Staaten und Großbritannien herrscht noch vorsichtige Zurückhaltung nach der libyschen Zustimmung.

Probleme könnten nun vor allem rechtlichen Details bereiten, etwa die Zusammensetzung des Richtergremiums. Libyen hatte ursprünglich eine internationale Gruppe von Geschworenen verlangt, während der US-amerikanische Vorschlag ausschließlich von schottischen Richtern spricht. Skeptisch äußerte sich der schottische Anwalt der beiden Libyer. Er bezeichnete die Zustimmung Gaddafis als eine nicht vollkommen klare „höfliche Erklärung“. Der Beginn des Prozesses könnte sich seiner Meinung nach noch mindestens um ein Jahr hinauszögern.