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Wege ins Geldlabyrinth

■ "Stimmung gut, Finanzen vorhanden", lautet die Botschaft der Medienmesse BerlinBeta. Betriebsgründer beschweren sich dagegen über mangelndes Engagement von Banken und Fonds

Die Stimmungsbastler sind am Werk. In der Gründercity ist fast alles möglich. Eine gute Idee, etwas Durchhaltevermögen und natürlich das Glück, den richtigen Menschen bei der Bank zu finden – und schon ist das innovative Kleinunternehmen auf den Weg gebracht, das motivierten jungen Leuten eine Existenz in Zeiten der wirtschaftlichen Flaute garantiert. Mit flockigen Rhetorik-Partikeln wie „ey!“, „wow!“, „toller Typ!“ strickt auch CDU-Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner berufsoptimistisch am Gründermythos: „Geld ist genug vorhanden.“

Nur: Wie kommen Internet- Avantgardisten und Software-Futuristen an die Finanzquellen heran? In der Kongreßhalle am Alexanderplatz, die durchaus einen architektonischen Kontrapunkt zum Thema setzte, versuchten gestern Branoner und vier weitere Zukunftsprediger unter Anleitung eines ebenfalls vom Modernitätsvirus infizierten Moderators, hundert BesucherInnen Eingänge ins Geldlabyrinth zu zeigen. Den Rahmen der Übung liefert die hippe Medienmesse BerlinBeta, die angetreten ist, cooles Nachtleben, Ideen aus dem kulturellen Underground und jugendlichen Elan in neue Jobs für eine darbende Region umzumünzen.

„Ich habe 150 Millionen Mark im Rücken“, drängelte sich Podiumsredner Florian Volk, Manager dreier Fonds für Risikokapital, in den Vordergrund. „Leider nicht mein Geld“, sondern das von Anlegern, die ihr Vermögen in jungen Betrieben arbeiten lassen wollen, um eine ordentliche Rendite zu sehen.

Was also muß ein begeisterter Jungunternehmer in spe mitbringen, um dem Fonds einige hunderttausend oder gar Millionen Mark Investitionskapital abzuzwacken? Einen „Busineß-Plan“, der zum Beispiel Auskunft gibt über geplante Einnahmen und Ausgaben und Marktchancen der angepeilten Internet-Dienstleistung. Außerdem die Fähigkeit, die eigene Idee selbst eloquent vorzustellen. Es reiche nicht, sich hinter einem Unternehmensberater zu verstecken, warnte Elmar Staudt von der Volksbank, der seinen unter Betrugsverdacht in 655 Fällen stehenden Chef Ulrich Misgeld vertrat. Nicht ganz unwichtig sei, so meinten Fondsmanager und Banker übereinstimmend, auch eine passende Antwort auf die Frage: „Wie stellen Sie sich ihr Unternehmen in fünf Jahren vor?“ Schließlich habe man Interesse an langfristigen Finanzierungen und nicht an Ex-und-hopp-Projekten.

Nach einer Stunde derartiger Vorträge der beschlipsten Spendierhosen begann das Publikum dann doch mit den Füßen zu scharren. Einige Anwesende, seit Jahren erfolgreiche Gründer, bildeten sich nämlich ein, die genannten Voraussetzungen durchaus erfüllt zu haben und anfangs trotzdem leer ausgegangen zu sein. Thomas Thiessen, Geschäftsführer einer Gesellschaft für Digitalmarketing, entdeckte „Begeisterungshülsen“ bei den Finanziers. „Man redet viel über Zukunft, will dann aber kein Geld geben“, so Thiessen. Der Mut, „unkonventionelle Entscheidungen“ von Betrieben mitzutragen, sei nicht sehr ausgeprägt.

Musikmanagerin Jana Wolff ging fast an die Decke, als Volksbanker Staudt erklärte, ein dunkler Anzug gehöre nicht mehr zu den ausschlaggebenden Vorbedingungen für die Geldakquise. „Hat man ein Loch im Strumpf, gucken die Banker komisch“, so Wolff. Ein Fehler bei der Vorstellung des Projekts reiche schon, und die Klappe falle, berichtete sie aus persönlicher Erfahrung. Auch Fondsmanager Volk räumte schließlich ein, daß von hundert guten Ideen vielleicht drei finanziert würden. Die restlichen blieben eben auf der Strecke.

Für Staatssekretär Branoner, der zwischendurch einen kleinen Einblick in den Dschungel staatlicher Förderprogramme gewährte, hatte die Jungmanagerin freilich lobende Worte parat. Leute vom Senat seien anfangs „die einzigen“ gewesen, die „wirklich zugehört haben“.

Ein Thema allerdings umschifften die versammelten Gründerfreunde sehr sorgsam. Was passiert, wenn ein Boot mit euphorischer Mannschaft in See sticht und schon kurz vor der Küste versinkt? Wie lange werden die armen Teufel hinterher dann noch von ihrer Bank stranguliert? Derartiges aber konnte den Stimmungsaufschwung gestern nicht trüben. Hannes Koch

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