piwik no script img

1848: Erlebnisbarrikaden und Revolutionswein

■ Die Events des deutschen Revolutionstourismus in Baden-Württemberg und Hessen

Wäre die deutsche Revolution von 1848 so gut geplant gewesen wie ihr Jubeljahr 150 Jahre später – sie wäre garantiert nicht danebengegangen. Einen Erfolg feiert jetzt nämlich Karlsruhe, das die Revolution der badischen Demokraten ins Stadtschloß geholt hat. Sie wurde ein finanzieller Erfolg für das Museum und die örtliche Gastronomie, und der stärkt badisches Selbstbewußtsein. Der Event-Charakter der Superausstellung war nicht unumstritten. Die Zugeständnisse an den Zeitgeschmack mit Erlebnisbarrikaden, Revolutionswein und Heckerhüten zum Selberbasteln lockte während fünf Monaten jedoch über 145.000 Besucher an. Darunter war – dies fanden Demoskopen heraus – ein überraschend großer Anteil an Arbeitern. Eine Besuchergruppe also, die es gemeinhin nicht in die Museen drängt.

Andere Orte sind noch offen für den großen Zulauf. So einige historisch bedeutsame Ausflugsziele inmitten schöner Landschaft wie das Hambacher Schloß. Es liegt nicht weit von Karlsruhe entfernt an der deutschen Weinstraße, direkt am Pfälzer Wald. Hambach ist der Ursprungsort der deutschen Demokratiebewegung. Hier folgten im Mai 1832 bald 30.000 Menschen dem Aufruf einiger Journalisten, Kleinbürger, Handwerker, Studenten und Winzer aus der Region und versammelten sich zu einem „Fest“ (eine politische Versammlung abzuhalten, war verboten). Auf dem alten Schloß mit dem spektakulären Blick auf die offene, weite Rhein-Main-Ebene wurden vorzügliche Forderungen zu Bürgerrechten und Pressefreiheit vorgetragen. Und nebenher wurde wirklich gefeiert.

Für damalige deutsche Verhältnisse war Hambach die progressivste Veranstaltung – wenn man Heinrich Heine glaubt, der meinte, daß hier „der französische Liberalismus seine trunkensten Bergpredigten hielt“. Anläßlich der 150-Jahr-Feiern hat sich Hambach eine neue Ausstellung gegeben und die regionale Perspektive um die Gesamtschau der deutschen Verhältnisse erweitert. Die erste schwarz-rot-goldene Flagge, die schon farblos und arg zerschlissen ist, wird hier gehütet. Sie war einmal, man kann es sich heutzutage kaum vorstellen, ein subversives Emblem.

Vor allem die Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen gedenken der Revolution wie einer nationalen Erfolgsstory. Mit Stadtrundgängen, Vorträgen, Lesungen, Ausstellungen, Festen, Diskussionen, Lehrgängen, Konzerten. Angebote wie „Denkmäler live“ erinnern an klassische Besuchsziele, die man vielleicht schon kennt, beispielsweise das Büchnerhaus in Darmstadt. Eine Besonderheit ist das Projekt des Landesmuseums für Technik und Arbeit in Mannheim und der Deutschen Bahn AG, der ZeitZug. Blau angestrichen und blickdicht rollt er als mobiles Museum durch die deutschen Lande und macht an rund 100 Bahnhöfen Station. Für jeweils einige Tage stehen die Waggons Besuchern offen. Die 48er-Ausstellung im Inneren thematisiert den damaligen Stand der Technik, die mit den ersten Bahnstrecken (ab 1835) große Schritte in die Technologie des Industriezeitalters machte. Die Züge nutzten sowohl die Revolutionäre als auch die Truppenverbände, die ihnen schließlich den Garaus machten. Noch bis Juli 1999 ist der ZeitZug unterwegs, demnächst überwiegend in Ostdeutschland. Endstation wird Rastatt sein, wo die letzten aktiven Freiheitskämpfer am 23. Juli 1849 aufgeben mußten.

Neben Karlsruhe hat Frankfurt am Main eine Mammutausstellung organisiert. Und zwar unter dem optimistischen Motto „Aufbruch zur Freiheit“. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt der Schirn Frankfurt und des Deutschen Historischen Museums Berlin (noch bis zum 18. September). Frankfurt hat die Paulskirche vorzuweisen: den Sitz des ersten frei gewählten deutschen Parlaments, den Hort der vielbeschworenen Freiheit, um die es hier geht. Eine Freiheit allerdings, mit der es in der Paulskirche, wie manche Historiker meinen, bereits bergab ging. Die Frankfurter Nationalversammlung war weder sonderlich radikal noch demokratisch gestimmt. Und nicht besonders standhaft. Die meisten Abgeordneten wollten keine freiheitliche Republik, sie wollten eine konstitutionelle Monarchie mit dem Preußenkönig als Erbkaiser.

Aber Frankfurt bietet die Paulskirche gleich dreifach an: einmal als Original und zweimal als Simulation im Schirnmuseum. Die Szenarien sind reizvoll. Man kann sich mit dem Joystick in ein historisches Modell der Kirche hineinmanipulieren, man kann aber auch in der Schirn-Rotunde den damaligen Reden der Abgeordneten lauschen und sich ausmalen, was geworden wäre, wenn... Christel Burghoff

Über Termine in Hessen und den ZeitZug informiert das Heft „Revolution 1848“, Societäts-Verlag Frankfurt, 12,80 Mark.

Baden-Württemberg ist im Internet zu erreichen: http://www . revolution1848-1849.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen