piwik no script img

Um vier Uhr früh kamen die Bomber

■ Wie ein Händler in Kinshasa Einmarsch und Fall der Rebellen erlebte

Kinshasa (AFP) – Vier Tage lang, von Mittwoch früh bis Sonntag früh, war das Stadtviertel Masina im Osten von Kinshasa völlig abgeriegelt. Gestern schließlich gab die Regierungsarmee der Demokratischen Republik Kongo den Zugang wieder frei. Die Jagd auf Rebellen war beendet.

In seinem Gemischtwarenladen, dessen Regale immer noch voller Waren stehen, erzählt der 35jährige Clément mit ernster Stimme von diesen schweren Tagen. „Am Mittwoch gegen drei Uhr morgens kamen die Rebellen in kleinen Gruppen“, sagt er. „Sie kamen über Mont Caly und Ndjili- Brasserie, ohne auf großen Widerstand zu stoßen.“ Nach Auffassung des Kleinhändlers hatten die Rebellen „die Wachsamkeit der Armee überlistet“.

Die meisten der Rebellen waren keine Tutsi oder Ruander, sondern Soldaten der ehemaligen zairischen Mobutu-Armee. Sie kannten Kinshasa gut. Schnell nahmen sie ihre Stellungen in Masina und einem Eukalyptuswald des Viertels Ndjili auf.

„Wir sind gekommen, um euch zu befreien“, sagten sie den Einwohnern, so Clément. Nach ihrem Einmarsch versuchten die Rebellen, den Leuten ihre politischen Ziele nahezubringen – in wenig kohärenter Form. „Als sie hier ankamen, sagten uns die Rebellen, daß sie Präsident Laurent-Désiré Kabila stürzen und Erzbischof Laurent Monsengwo an die Macht bringen sollten. Sie kündigten außerdem an, Etienne Tshisekedi wieder als Premierminister einzusetzen“, erzählt Clément. Monsengwo, herausragende unabhängige politische Figur unter Mobutu und Anfang der 90er Jahre Präsident der Nationalkonferenz, ist aber gar nicht Teil der Rebellion. Tshisekedi, populärster Oppositionsführer des Landes sowohl unter Mobutu wie unter Kabila, gehört auch nicht zu den Rebellen.

„Kabilas Soldaten können uns nicht widerstehen, denn wir sind unbesiegbar“, gibt Clément die weiteren Erklärungen der Rebellen wieder. „Nur die Bomber aus Simbabwe und Angola können uns schaden.“ Die Antwort der Bomber aus Simbabwe und Angola sowie der kongolesischen Regierungstruppen ließ nicht auf sich warten. Schon gegen vier Uhr morgens am Mittwoch kam der Eukalyptuswald von Ndjili, der an der zum Flughafen führenden Hauptstraße liegt, unter Beschuß.

Die Bewohner von Masina gerieten in Angst. „Während die Militärs Feuer spuckten, versteckten sich meine Frau und die Kinder unter dem Tisch“, berichtet Clément. „Ich ging öfter hinaus, um die Kinder nicht zu traumatisieren.“ Die andauernden Luftangriffe zwangen die Rebellen schließlich, sich in Schulgebäuden und verlassenen Häusern zu sammeln. Dort wurden viele von ihnen getötet.

Während dieser Zeit verharrten die Bewohner des Stadtviertels still in ihren Häusern. „Wir hatten zu essen“, sagt Clément. „Einen Sack Reis, etwas Huhn, ein paar Getränke. Nur die Kinder konnten essen. Ich und meine Frau hatten keinen Appetit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen