: „Das bringt uns fünf Millionen“
Fremdes Stadion, gespenstische Kulisse, blöde Anstoßzeit und dann 1:3 gegen Lautern und Pokalaus: Wie sich Fortuna Köln vom Fernsehen mal so richtig veralbern ließ ■ Von Katrin Weber-Klüver
Köln (taz) – So weit ist es gekommen mit dem Primat des medienstrategischen Denkens beim einstmals so liebenswert possierlichen und pusseligen Fußballverein Fortuna Köln: Daß Sonntag abend, einundzwanzig Uhr eine orts-, um nicht zu sagen: landesunübliche Anstoßzeit ist – egal; daß nicht einmal Fans des 1. FC Köln das weitläufige Müngersdorfer Stadion mögen, geschweige denn Fortuna-Anhänger – auch egal. Die überschaubare, mit Stehrängen reich gesegnete heimische Sportstätte in der Südstadt wurde auf Anweisung des Fernsehens genauso klaglos geopfert wie der bizarre Austragungszeitpunkt akzeptiert.
Daß das beim DFB-Pokalspiel gegen den deutschen Meister 1. FC Kaiserslautern zu einer gespenstischen Kulisse von 4.000 Menschen im zwölfmal so viele Zuschauer fassenden Stadion führte – natürlich auch egal. Denn, so erklärte Fortunas Manager Jürgen Weinzierl mit einer Mischung aus Unbehagen und Begeisterung, „das bringt uns heute fünf Millionen“ – nicht D-Mark, sondern Zuschauer. So viele nämlich sähen praktisch immer zu, wenn Fußball übertragen wird, meint Weinzierl. Wahrscheinlich tun sie es fast reflexartig, und zu Hause auf dem Sofa ist womöglich sogar eine Veranstaltung hinzunehmen, die im Stadion selbst den zweifelhaften Charme eines frühherbstlichen Zweitligaspiels in Bukarest hat. Daß es in Köln-Müngersdorf nicht regnete und hagelte, war auch alles. Aber auch das wäre egal gewesen.
Der Fernsehsender, dessen Diktat sich der kleine Kölner Verein so gern beugte, ist das ZDF. Die Mainzer Medienmenschen revanchierten sich gar nicht freundlich. Es scheint doch großen Schaden anzurichten, wenn man als öffentlich-rechtlicher Sender nicht mehr im täglichen Ligageschäft präsent und aktiv ist, man bringt darüber offenbar manches durcheinander.
Darunter auch recht Fundamentales. Der Werbespot, mit dem die Anstalt ihr glücklicherweise einziges Live-Fernsehspiel der ersten Pokalrunde mit nebelumwölkten Bildern vom Lauterer Betzenberg ankündigte, hatte folgenden putzig martialisch intonierten Text: „Sie kommen ... grausam ... und gewaltig ... mit der Wucht vom Betzenberg ... haben die Amateure eine Chance?“
Nun, ist das schon Verleumdung? Kann man dafür als Zweitligist Schadenersatz fordern? Oder muß man in sich gehen und sehr selbstkritisch darüber nachdenken, warum überhaupt jemand auf die Idee kommt, ein Verein, der seit einem Vierteljahrhundert zweitklassig ist und einmal auch schon ein Pokalfinale erreichte, könne für so etwas wie Schalding- Heining gehalten werden. (Womit gegen jenen SV hier nichts gesagt werden soll.)
Wenn dem so ist, muß etwas schiefgelaufen sein mit der neuen Imagekampagne des Vereins, der sich seit dieser Saison einen Medienexperten leistet, damit es in und um Köln und möglichst auch in der ganzen Republik bekannt wird, daß es die Fortuna gibt und daß sie sich überlegt hat, den Aufstieg in die Erste Liga anzustreben. Vielleicht wollte das ZDF eigentlich ein ganz anderes Spiel übertragen. Und im nachhinein muß man sagen: Saarbrücken (original Dritte Liga und nominell, wenn auch sicher nicht faktisch, damit nicht im Vollprofilager) gegen Dortmund oder Denzlingen gegen den Hamburger SV wäre wohl unterhaltsamer gewesen.
Sei's drum. Es wurde auch gespielt in Köln, muß ja. Denn nur Werbebanden und nur leere Ränge würden auch einem am Sonntagabend übermüdeten Fernsehzuschauer komisch vorkommen. Es wurde also gespielt, und dabei fielen vier Tore. Standesgemäß drei davon für die Gäste.
Das machte aber dem Trainer der Fortuna gar nichts, weil Harald Toni Tünn Schumacher fand, seine Mannschaft habe „phantastisch gespielt“. Das stimmt ihn „positiv“ für den Ligabetrieb und seine Aufstiegsidee. Allein daß sein Stürmer Toralf Konetzke nach einer halben Stunde mit dem Verdacht auf Knöchelbruch – mithin mehrmonatige Pause – ausscheiden mußte, fand Schumacher etwas traurig.
Konetzke hat im Pokal auch schon schönere Dinge erlebt. Vor knapp zwei Jahren war das, als er noch für Energie Cottbus spielte und bis ins Finale kam. Einmal gab es in jenem Wettbewerb ein Spiel, das wochentags am frühen Nachmittag begann. Wegen der Fernsehübertragung. Es ging dann bis ins Elfmeterschießen und so fast in die Dunkelheit.
Aber das lag daran, daß im Stadion der Freundschaft damals noch kein Flutlicht existierte. Die Schuld des Fernsehens war es nicht. Das muß man zugeben. Mehr nicht.
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