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„Interkonfessionelle Baumafia“ blockt

■ Senat vertagte Entscheidung über Naturschutz in Brokhuchting erneut / SPD-Senatorin erinnert CDU-Bausenator Schulte (CDU) an alte Erkenntnisse: Bauprojekt Brokhuchting zu teuer

Seit Juli hat der Bremer Senat die Brokhuchtinger Feuchtwiesen auf der Tagesordnung, gestern hat er wieder den Antrag vertagt, das Gelände unter Naturschutz zu stellen. Seit 13 Jahren schießt dort die Natur ungestört ins Kraut und daß seltene Vögel in den Feuchtwiesen rasten und brüten, ist schon der EU förmlich gemeldet. Der Feuchtwiesenring rund um Bremen werde mit diesem Gebiet geschlossen, ein bundesweit bedeutsames Naturschutzprojekt, schwärmt die Naturschutzbehörde.

Daß die Brokhuchtinger „Ausgleichsflächen“ auch formal unter Naturschutz gestellt werden sollen, steht sogar im Koalitionsvertrag, aber dennoch blockiert die CDU dies seit Wochen: Die Baupolitiker wollen die Brokhuchtinger Ochtumniederung als Faustpfand nehmen, um die Bebauung angrenzender Wiesen durchzusetzen.

Ausgerechnet der Umweltdeputierte Tölke Borchers (CDU) hat sich dafür engagiert, die verkaufswilligen Landwirte mit einem Bauträger zu einer „Interessengemeinschaft“ zusammenzubringen, und die macht jetzt Druck. Borchers ist da aber nicht etwa als Umwelt-Deputierter aktiv, sondern rein privat als einer der Brokhuchtinger Bauern, die erhebliche Flächen verkaufen wollen.

„Wer da kauft, muß zu 51 Prozent auf die Nase fallen“, prognostiziert dagegen der Chef der Senatskanzlei, Staatsrat Reinhard Hoffmann, dem interessierten Bauträger. Neben den CDU-Lobbyisten ist aber auch SPD-Baupoliker Carlo Schreiber mit von der Partie; eine „interkonfessionelle Baumafia“, spottete Hoffmann in interner Runde. Schreiber setzte mit Dieter Focke (CDU) im Juni einen Beschluß der Baudeputation durch, nach dem wenigstens 400 meist freistehende Einfamilienhäuser in Brokhuchting gebaut werden sollen, 120 der Wohneinheiten sollen sogar als „bauträgerfreie Grundstücke“ an individuelle Bauherren vergeben werden. Ohne die für Kitas zuständige Senatorin zu konsultieren, unterschrieb das Planungsamt einen Vorvertrag, nach dem sich der Bauträger an entstehenden Kosten für zusätzliche Kita-Plätze nur mit 2.000 Mark pro Wohneinheit beteiligen muß.

Viel zu wenig, kritisiert die Senatorin Christine Wischer, und sie erinnerte den Bausenator am 25. August mit einem langen Brief daran, daß es vor allem wirtschaftliche Gründe waren, die dem Projekt auch aus Sicht des Bauressorts entgegenstehen. Bisher dient die Fläche nämlich als mögliches Überschwemmungsgebiet im Hochwasserfall. Für eine Wohnbebauung müßte ein 2,50 Meter hoher Deich gebaut werden. Auf der anderen Seite des Baugebietes verläuft die Eisenbahnlinie Oldenburg-Bremen. Sie müßte mit einem Lärmschutzwall versehen werden. Selbst in der Baubehörde waren Zweifel aufgekommen, ob Bauherren die „visuellen Einschränkungen“ nicht als „Ghettocharakter“ empfinden müßten. Zusammen mit den Ausgaben für Zuwässergräben würden in Brokhuchting 80.000 Mark mehr Kosten pro Wohneinheit entstehen, als etwa in Borgfeld. Das Vogelschutzgebiet gegen die Hunde und Katzen der Villenbesitzer zu sichern, wäre dagegen billig.

„Nach Kenntnis dieser Fakten haben Sie darauf verzichtet, Senat und Deputationen über das Ergebnis der Bauvoruntersuchungen zu unterrichten und haben statt dessen das Gespräch mit mir gesucht“, erinnert die Umweltsenatorin. Gegenstand des Gesprächs: „Zur Stabilisierung der Einwohnerzahlen“ sollte die „Osterholzer Feldmark als Alternative für die Wohnbebauung in Brokhuchting“ in Auge gefaßt werden. K.W.

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