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Brünstige Zigarettennippel

■ Der Bremer Schriftsteller Klaus Johannes Thies liest heute abend aus seinem Buch „Die Dunkelkammer unter dem Rock“

Wir stellen uns nach Lektüre des Buches vor: Klaus Johannes Thies ist ein zur Melancholie neigender Mann jenseits des 47. Lebensjahrs. Wir stellen uns weiterhin vor, er mag klassische Musik und bereist gerne Länder, die seiner vergrübelten Lebenshaltung entgegenkommen. England zum Beispiel, wo es doch immer so nebelig ist.

Wir phantasieren weiter: Zurück in Bremen, vielleicht aber noch im Zug, im Flugzeug oder sonstwo schreibt er immer dann, wenn ihm danach ist – nach einem Spaziergang im Park, einem Blick aus dem Fenster oder dem Besuch eines Museums – kürzeste Kurzgeschichten, selten länger als eine Seite. Und doch reichen diese wenigen Sätze aus, um absurde Welten entstehen zu lassen: Eine Japanerin schrumpft einfach so im Restaurant auf Plateausohlengröße, Mario Basler läuft durch Thiesens Vorgarten und bittet um den Schuß vor den Wäschepfosten, während im elterlichen Wohnzimmer die Mutter in einem schönen Sarkophag beerdigt wird, der bemoost und veralgt ist und ansonsten der Familie als Eßtisch dient.

Das alles ist durchaus verrückt und ebenso nett zu lesen. Jeden Tag zum Frühstücksei eine Geschichte aus Thies' gerade bei Reclam in Leipzig veröffentlichtem schmalen Buch „Die Dunkelkammer unter dem Rock“, und man wäre immerhin vier Monate beschäftigt. Und hätte zugleich seinen Cholesterinspiegel in atemberaubende Höhen getrieben. Ob es aber an ihm oder nicht eher doch an der geballten Ladung Thiesscher Abgründigkeiten liegt, daß einem zuweilen der Appetit aufs Brötchen vergeht, bleibt offen.

Denn zweifellos ist Thies nicht nur ein sprachlich versierter Autor, ein feinfühliger, erinnerungsgesättigter Mensch mit Sinn für das Spiel mit Worten und einem genauen Blick für scheinbar belanglose Details. Er ist überdies ebenso zweifellos ein Erotomane wie er im Schwarzbuch der Lustmolche einen Ehrenplatz verdient hätte. Auf den ersten 90 Seiten vergeht kaum eine Geschichte ohne tiefen Blick in Dekolletées, unter Röcke und die ein oder andere Beischlafszene. Auf Dauer nervt das gewaltig, einfach weil es öde ist, immer wieder über Stöckelschuhe, Nylonstrüm-pfe und stramme Ärsche so „rücksichtslos wie ein äußerst korpulenter afrikanischer Diktator“ zu lesen. Und siehe da – Thies kann auch anders, etwa wenn er seinen anderen Leidenschaften frönt und seine bizarre Familie seziert, immer wieder seine Vorliebe für Wolfgang Overath und den Fußballsport im allgemeinen durchschimmern läßt oder aber ethnologische Kleinststudien über Bremen und das umliegende Ausland zu Papier bringt.

Doch nur wenige Seiten später landet Thies wieder auf dem „Skiabhang ihrer schneeweiß schimmernden Schenkelpisten“, erfreut sich an Brüsten in der „klassischen Anordnung: Eins, Zwei“ oder an Carla Bruni, weil „ihre zylindrisch geformten Nippel glühen wie brünstige Zigaretten“. Wer weiß, warum das so ist bei Klaus Johannes Thies. Ob es an der Geschichte mit dem Eßtisch liegt? zott

Klaus Johannes Thies liest heute abend ab 20 Uhr in der Galerie Gruppe Grün (Fedelhören 32) aus seinem kürzlich bei Reclam veröffentlichten Buch „Die Dunkelkammer unter dem Rock“

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