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Mythen in Tüten

Unternehmer müssen eine herausragende Persönlichkeit sein: Risikobereit, kämpferisch und streßfest. Der Mythos täuscht. Der Erfolg eines Unternehmers hängt von vielen Faktoren ab, so eine neue Studie  ■ Von Barbara Dribbusch

Der Unternehmer ist der Neue Mensch, das Leitbild der Zukunft. „Wir müssen endlich Bilder von erfolgreichen deutschen Unternehmen und Unternehmern systematisch in der Öffentlichkeit entwickeln“, predigt Jost Stollmann, Schattenwirtschaftsminister der SPD. Söhne und Töchter sollten sich „tatenvoll in das Abenteuer Selbständigkeit“ stürzen. Der wagemutige High-Tech-Unternehmer ist eine Erlöserfigur – und ein Phantom. In Wirklichkeit sind erfolgreiche Existenzgründer nicht immer besonders risikobereit oder streßfest. Und überhaupt spielen Persönlichkeitsfaktoren nur eine begrenzte Rolle. Dies ergaben Forschungen der Universität Gießen.

Die Gießener Arbeitspsychologen befragten 200 Unternehmer, deren kleine Betriebe schon einige Jahre mehr oder weniger erfolgreich überlebt hatten. Außerdem sammelten die Wissenschaftler Forschungsergebnisse zur Psychologie der erfolgreichen Betriebsgründer. Erstes Fazit: Gründer ist nicht gleich Gründer. „Die Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmern sind größer als zwischen Unternehmern und anderen Berufsgruppen“, resümieren die Forscher Andreas Rauch und Michael Frese.

Die meisten kleinen Unternehmen entstehen in den Branchen Dienstleistung und Handel. Der vielzitierte erfolgreiche High- Tech-Unternehmer ist schon zahlenmäßig eher die Ausnahme, obwohl diese Gründer in den Medien als Prototypen gefeiert werden.

Unter den Chefs von kleinen und mittleren Betrieben gibt es beispielsweise den Handwerker, der zuvor in einer anderen Firma arbeitete und sich dann selbständig machte. Selten haben diese Handwerker „Führungserfahrung“, sie vermeiden eher Risiken und müssen auch nicht immer besonders innovativ sein, um Erfolg zu haben. Ein anderes Bild bietet der Gründer, der mit einem kleinen spezialisierten Betrieb wissenschaftliche Meßinstrumente fertigt und Innovationen auf den Markt bringen muß, um gegenüber der Konkurrenz zu bestehen. Er ist eher „entrepreneur“, während der Handwerker der „caretaker“ unter den Kleinunternehmern ist.

Im allgemeinen Verständnis sei der Selbständige ein Mensch, der viel Risiko auf sich nehme, so Rauch und Frese. Die Forschung aber zeige, daß erfolgreiche Firmenchefs in der Regel nur mittlere Risiken eingehen und keineswegs überdurchschnittlich wagemutig sind. Die wirtschaftliche Realität der befragten Kleinunternehmer ist ohnehin nicht glorios: Das durchschnittliche Nettoeinkommen liegt nach Angaben der West- Gründer bei 4.100 Mark monatlich, im Osten bei 3.600 Mark. Im Schnitt arbeiteten die Firmenchefs 50 bis 60 Wochenstunden.

Erfolgreiche Firmenchefs müssen nicht 100prozentig streßfest sein, stellte Forscherin Sigrun Göbel aufgrund der Befragungen fest. Ob ein Unternehmer streßanfällig sei oder nicht, sage nichts darüber aus, ob er Erfolg habe oder nicht. Schließlich gibt es auch Gründer, die ihr Nervenkostüm kennen und sich eben deshalb nicht überfordern. Chronische Arbeitsüberlastung und die Unfähigkeit, zu delegieren, dienen nicht dem unternehmerischen Erfolg.

Auch die vielzitierte „Identifikation mit der Arbeit“ ist kein persönlicher Garant für betriebliche Glanzergebnisse. Die UnternehmerInnen, bei denen Arbeit die zentrale Rolle im Wertesystem spiele, gehörten nicht zwingend zu den Erfolgreichen, resümiert Göbel. Dennoch gibt es einige Persönlichkeitsfaktoren, die erfolgreiche UnternehmerInnen ausmachen, dies zeigten die Erhebungen. Gründer mit guten Bilanzen hatten ein starkes Dominanzbedürfnis, ein hohes Selbstwertgefühl und das Gefühl, die Umwelt von sich heraus beeinflussen zu können; sie verfügten über eine sogenannte „internale Kontrollüberzeugung“.

Persönlichkeitsfaktoren aber können letztlich nur wenig vom unternehmerischen Erfolg erklären, auch wenn die allerorten verbreiteten Geschichten von siegreichen Existenzgründern das Gegenteil suggerieren. Die Frage, ob man Kleinunternehmer werde, hat zwar etwas mit Persönlichkeitsfaktoren zu tun. Der Erfolg des Betriebsgründers jedoch hängt mehr mit den Handlungsstrategien als mit der Persönlichkeit zusammen. Ein Firmenchef, der nicht sonderlich dominant ist, aber genau deswegen jemanden einstellt, der extrem durchsetzungsfähig ist, kann am Ende auch sehr erfolgreich sein.

Ansonsten ist eine gute Planung für den Unternehmenserfolg wichtig. Auch die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter sollte gefördert werden. Bei den ostdeutschen Gründern spielte eine Rolle, ob sie eine Marktlücke auftaten. Als Erfolgsfaktoren werteten die Psychologen generell Größe und Wachstum des Betriebes und das Unternehmereinkommen.

Michael Frese (Hrsg.): „Erfolgreiche Unternehmensgründer“. Verlag für angewandte Psychologie. Göttingen 1998

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