SPD geschlossen für Grundschule

■ Auch Fraktionschef Klaus Böger lehnt Gymnasien ab der fünften Klasse jetzt ab. Er folgt der Argumentation von Experten: "Abstrakter Lerntyp" für Zehnjährige nicht geeignet

Auch die Spitze der SPD-Fraktion ist jetzt von der sechsjährigen Grundschule überzeugt. Auf einem schulpolitischen Forum der SPD betonte Fraktionschef Klaus Böger am Mittwoch abend, die Entscheidung seiner Fraktion gegen weitere Gymnasien ab der fünften Klasse sei richtig gewesen. Das hätten ihm die Argumente der Experten gezeigt. Böger räumte ein, daß er bis dahin nicht sicher gewesen sei, ob man nicht doch zusätzliche grundständige Gymnasien einführen sollte.

Auch Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) bezeichnete ihre ursprüngliche Befürwortung der grundständigen Gymnasien als „Fehler“. Sie habe damit erst einmal der Nachfrage der Eltern gerecht werden wollen. Kurz nach ihrer Ankündigung im Juni war die Schulsenatorin jedoch umgeschwenkt und verteidigte zum Ärger der CDU wieder die sechsjährige Grundschule. Hinter dem Wunsch nach Oberschulen ab der fünften Klasse stecke kein pädagogisches Konzept, begründete sie am Mittwoch abend noch einmal ihren Sinneswandel. Es gehe nicht darum, sagte Stahmer, „die richtigen Kinder für die Schulen einzufangen“. Vielmehr müßten die Schulen den Kindern gerecht werden.

Der schulpolitische Sprecher der SPD-Frakion, Peter Schuster, hatte zu dem Forum, das regelmäßig stattfinden soll, ausschließlich Befürworter der sechsjährigen Grundschule eingeladen. Sie lieferten den Politikern zahlreiche Argumente für das traditionelle Berliner Schulsystem. Dabei überraschten vor allem die Vertreter der Gymnasien mit ihrer Haltung.

Der Leiter des Beethoven- Gymnasiums in Steglitz, Wolfgang Harnischfeger, gab offen zu, daß Gymnasien Kinder nicht förderten. „Wir stellen unsere Hürden auf, und wer sie nicht überspringt, verläßt die Schule“, sagte er unverblümt. Daher sei es unsinnig, von einer besseren Förderung der Kinder in der fünften und sechsten Klasse am Gymnasium zu sprechen. Der „verbal abstrakte Lerntyp“ des Gymnasiums sei außerdem für Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren nur wenig geeignet.

Auch der Berliner Landesvorsitzende des Philologenverbandes, Jobst Werner, bemängelte das Vorgehen der CDU, den Elternwillen über alles zu stellen. Nicht selten überforderten Eltern ihre Kinder, indem sie sie aufs Gymnasium steckten.

Den Einfluß der sozialen Herkunft auf die Leistung thematisierte der Erziehungswissenschaftler Professor Peter Hübner von der Freien Universität. Man könne nicht verschweigen, daß Kinder aus sozial schwachen Familien schlechtere Erfolgschancen hätten. Während in den Bezirken Wilmersdorf und Steglitz der Anteil der Schüler, die auf Gymnasien wechselten, am höchsten sei, sei er in Wedding und Kreuzberg am niedrigsten. Hübner äußerte seine Sorge, daß die ohnehin schon bevorteilten Schüler durch grundständige Gymnasien noch zusätzlich gefördert werden sollten.

Einig waren sich die zwölf Teilnehmer auf dem Podium darüber, daß eine Reform der Grundschule sinnvoller sei als eine Änderung der Schulstruktur. Sie stellten aber gleichzeitig fest, daß der Lehrplan für die Klassen sieben bis zehn, die Sekundarstufe eins, mindestens so dringend modernisiert werden müsse wie die Grundschule. Jutta Wagemann