: Ein Köder für Autofahrer
HVV und StattAuto machen gemeinsame Sache: HVV-Abonnenten können für weniger Geld Auto-Teilbesitzer werden ■ Von Christine Holch
Zwei ungleiche Partner mit dem gleichen Problem: Es geht nicht so recht voran mit den Kundenzahlen. Bei der Carsharing-Agentur StattAuto Hamburg ist die Wachstumskurve sieben Jahre nach der Gründung deutlich abgeflacht – und für offensive Werbung fehlen die Mittel. Beim Hamburger Verkehrsverbund (HVV) dümpeln die Nutzerzahlen auf der Stelle – und für neue Strecken ist kein Geld da.
Deshalb starten HVV und StattAuto nun einen gemeinsamen Lockangriff auf eingefleischte Privatauto-Besitzer. Der Köder: Wer ein Semesterticket hat, eine HVV-Jahreskarte oder eine ProfiCard, kann verbilligt StattAuto-Mitglied werden. Die Einlage von 1000 Mark und die monatliche Grundgebühr von 20 Mark entfallen, die Aufnahmegebühr beträgt 49 statt 200 Mark. HVV-KundInnen zahlen also nur für tatsächlich gefahrene Kilometer, allerdings etwas mehr als EinlagezahlerInnen.
Eine bundesweit einmalige Kooperation. Dabei waren sich der behördenähnliche HVV und die jungdynamische Agentur schnell einig, daß beide profitieren: Der HVV erhofft sich neue Stammkunden (Jahresabos bringen sicheres Geld). Dafür übernimmt er für StattAuto das Marketing: Er weist eine halbe Million HVV–NutzerInnen per Brief auf StattAuto hin und nimmt in allen HVV-Kundenbüros Mitgliedsanträge entgegen. StattAuto wiederum hofft, daß die derzeit 1700 Mitglieder innerhalb von zwei Jahren auf 5000 anwachsen. Ähnliche Kooperationen in der Schweiz geben Anlaß zu diesem Optimismus.
Warum der Umstieg vom eigenen Auto auf ein geteiltes Auto ökologischer sein und zu mehr HVV-Benutzung führen soll, begründet Stefan Wendt-Reese von StattAuto Hamburg so: Studien hätten ergeben, daß neue StattAuto-Mitglieder anschließend 40 Prozent ihrer Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen und daß ihre Autonutzung um 80 Prozent sinkt.
Der Grund: Jede Autofahrt ist eine bewußte Entscheidung, da den Carsharer jede einzelne Fahrt kostet. Im Schnitt geben Carsharer knapp 100 Mark im Monat fürs Autofahren aus. Der private Autobesitzer hingegen hat Fixkosten wie Kasko, Steuer, die Rücklage für den Neukauf oder Reparaturen in Höhe von mehreren hundert Mark. Die fallen an, egal, ob er viel fährt oder wenig. Die Benzinkosten machen nur rund 30 Prozent seiner Kosten aus. Ökonomisch bringt ihm Wenigerfahren also wenig.
StattAuto versucht, AutobesitzerInnen mit ökonomischen Argumenten zu kriegen. Allerdings lohnt sich Carsharing derzeit nur für die, die weniger als zehnmal im Monat Auto fahren und im Jahr höchstens 10.000 Kilometer (deutscher Durchschnitt: 12.500).
An die VielfahrerInnen will nun daher StattAuto Berlin ran: mit dem Projekt Cash/Car. StattAuto kauft das vom Kunden gewünschte Auto, der Kunde least es anschließend und zahlt beispielsweise für einen Astra monatlich 660 Mark inklusive Reparaturen oder Versicherungen. Braucht er das Auto gerade nicht, stellt er es StattAuto zur Weitervermietung zur Verfügung. Die Einnahmen darf er zur Hälfte behalten. Der Nutzer wird am Eigeninteresse gepackt, ein schmerzlicher Verzicht ist nicht nötig. Ein Modell, das StattAuto bald auch in Hamburg ausprobieren möchte.
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