: „Nur Papier“, aber „die ganze Welt“ im Oldenburger Schloß
■ Das Landesmuseum zeigt Bühnenbilder, Dekorationen und Vorhänge, die Liebhaber der filigranen Papiertheaterkunst zusammengetragen haben
Oldenburg. Der Vater wurde mit 16 Jahren „infiziert“, der Sohn war 13, als er angesteckt wurde. Der dänische Schauspieler Carl Schenström (1881-1942) – besser bekannt als der „Pat“ des weltberühmten Filmkomiker-Duos „Pat und Patachon“ – und sein Sohn Helge (1910-1988) waren leidenschaftliche Sammler von Papiertheatern. Erstmals präsentiert das Landesmuseum im Oldenburger Schloß ab Sonntag die einzigartige Sammlung, die es vor elf Jahren als Entrümpelungsgut kaufen konnte.
„Es ist nichts, nur Papier, und doch ist es die ganze Welt.“ Der Titel der Ausstellung stammt von Peter Höeg. Der bekannteste zeitgenössische Schriftsteller Dänemarks gehört – wie vor ihm unter anderen Thomas Mann, Charlie Chaplin und Winston Churchill – zu den Liebhabern des filigranen Miniatur-Welttheaters, das im 19. Jahrhundert in das bürgerliche Wohnzimmer einzog. Schwarzweiß, bunt koloriert oder gar vergoldet: Die Papierbögen, aus denen Theaterfiguren, Bühnenbilder und Dekorationen bis hin zu winzigen Kopien des Vorhangs der Pariser Oper ausgeschnitten, beklebt und aufgestellt wurden, gab es für jeden Geschmack und Geldbeutel.
Für die einen war und ist Papiertheater ein dekoratives oder poetisches Spielzeug. Für die kleine internationale Gemeinde der Papiertheaterspieler, die sich während der Ausstellung in Oldenburg ein Stelldichein mit Gastspielen gibt, bedeutet es die Bühne für eigene Adaptionen aus einem grenzenlosen Repertoire von Schauspiel, Oper und Literatur. Welttheater für höchstens 25 Zuschauer spielte auch der „Papiertheaterdirektor“ Helge Schenström in seinem Kopenhagener „Dania“-Theater, das er nach dem Tod seines Vaters im elterlichen Haus eröffnet hatte. Der versessene Sammler war ein Sonderling. Aus Geldmangel arbeitete der Junggeselle zeitweise als Filmvorführer und Lagerarbeiter.
1987 – ein Jahr vor Schenströms Tod – entdeckte ein Restaurator des Oldenburger Landesmuseums beim privaten Stöbern in einem antiquarischen Trödelladen in Kopenhagen die Sammlung. Über tausend Papierdekorationen, Figuren und Setzstücke für 200 Bühnenfassungen, Textbücher, 600 Schelllackplatten und Unmengen von Notizen waren chaotisch zusammengeworfen und in einem teilweise desolaten Zustand – unverkennbare Folgen einer lieblosen Entrümpelung. Der Fachmann erkannte den Wert seines Fundes, das Landesmuseum griff zu. Als „Zugabe“ bekam das Museum alles, was der Sohn von seinem großen Vater aufbewahrt hatte. Dazu gehören zwei Koffer voller Kostüme, Perücken und falscher Bärte, mit deren Hilfe der elegante und gutaussehende Schauspieler sich in den tolpatschigen Clown Pat verwandelte.
Karin Güthlein, dpa
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 17 Uhr.
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