: Teufelskerle, Übermütter
■ Rote und grüne Wahlplakte in Bremen. Eine kritische Bildbetrachtung nebst einiger Spekulationen zur Frage der Bekleckerung mit Gelb, Schwarz oder Rot
Ein Phänomen! Vielleicht ein Wunder! Wo immer in diesen Tagen in der Stadt Wahlplakate mit dem Kopf von Konrad „Unser Mann für den Bundestag“ Kunick hängen, ist der haararme Schädel alsbald mit zwei Teufelshörnchen verziert, die aufs allerliebste zum mephistophelischen Grinsen des kampferprobten Sozialdemokraten passen wollen. Selbst SPD-Wachleute konnten die Hörnung des Herrn Kunick bislang in keinem Falle verhindern. Und das Vertrackte: Wer die Hörnchen einmal auf des ehemaligen Häfensenators Glatze hat prangen sehen, wird diese Attribute fortan – einem Nachbild vergleichbar – auf jedem Kunick-Abbild mitsehen. Ein subtiler Trick von „Teufelskerl“ Kunick? Ein Verteufelungswerk seiner Feinde?
Die einen fragen Elisabeth Noelle-Neumann. Die anderen rühren im Kaffeesatz. Wir dagegen sehen aus Anlaß der ins Haus stehenden Bundestagswahl einfach nur genau hin. Wie stehen die Chancen für Rotgrün? Was wollen uns die Wahlplakate subtil, subkutan und auf der Metaebene diesbezüglich mitteilen?
Im Falle von Konrad Kunick fällt dem analytischen Blick sofort auf, daß dieser Mann praktisch nicht im Besitz einer Oberlippe ist, aber ein Hemd in Bleu mit dunkelblauen Streifen trägt. Und nun betrachten wir das Konterfei von Volker „Unser Mann für den Bundestag“ Kröning. Hemd bleu, Streifen dunkelblau, keine Oberlippe! Die Sache nimmt Konturen an. Und dann fällt unser Blick auf die Augenbrauen unseres ehemaligen Finanzsenators. Donnerlittchen! Waigelgleich wuchern sie unter die Brillengläser, scheinen das platinene, von einem gescheiterten Büroklammerndesigner entworfene Brillengestell sprengen zu wollen. Würde Kröning nicht regelmäßig die urwaldartig sich ausbreitende Gesichtsbehaarung im Bereich der Nasenwurzel ausrupfen, er würde zum doppelte Lottchen des Bundesfinanzministers heranwachsen.
Bei rechtem Licht besehen, harmoniert die Oberlippenlosigkeit führender Sozialdemokraten mit einer offenbar verbindlichen Grübchenhaftigkeit führender Bündnisgrüner. Betrachten wir die Grübchen der ehemaligen Senatorin für Kultur und Puppenstuben, Dr. Helga Trüpel. Ihre Schönheit ist von allen Medien der Welt so ausführlich besungen worden, daß unter den Grünen Mißgunst aufkam. Darum gilt ab sofort unter Grünen die Sprachregelung, daß man fortan über Dr. Helga Trüpel als „es“ statt als „sie“ spricht („Im Westen was neues!“) Es Helga ist darum so zornig, daß es aus dem Bremer Westen wieder wegziehen will, am liebsten nach Schwachhausen.
In der Grübchenfrage übertroffen wird es Helga lediglich von Marieluise „Platz 1 Landesliste“ Beck. Wem wirft die Mutter aller Mütter diesen liebevoll-tadelnden, zugleich mitleidig-lächelnden Blick zu? Den in Scharen davoneilenden Grünenwählern, die sich das Hemdchen mit Rot, Schwarz oder Gelb bekleckert haben? Übrigens legt Frau Beck den Kopf schräg, wie es Heilige in der christlichen Ikonographie zu tun pflegen, was den Eindruck des ganz leicht alkoholosierten Blicks hübsch kontrastiert.
Hie Grübchen, da Oberlippenlosigkeit. Hie der Spruch: „Wirtschaftlicher Erfolg ist nicht alles. Aber ohne ihn ist vieles andere nichts“ (Schröder). Da der Spruch: „Grün ist nicht alles. Aber ohne Grün ist alles nichts“ (die Grünen). Wir konstatieren strukturelle Nähe. Da kann was zusammenwachsen.
Wenn dem Grübchenträger Joschka Fischer nur die Wähler nicht weglaufen, nach denen er sich auf seinem Plakat umdreht. Folgt ihm noch jemand? Diesem ausgemergelten Hautundknochen-Schädel, der ausgerechnet den Spruch sagt: „Neue Mehrheiten nur mit uns!“ Der Hungerjunge läßt einen weniger an Mehrheit und Fettlebe, dafür mehr an Minderheit und Dürrezeit denken. An Selbstkasteiung. An Oppositionsbänke ... BuS
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