: Geheimnisbeschwörung
■ Wim Vandekeybus' Company Ultima Vez mit „7 for a secret ...“
Der Aberglaube als Ersatzreligion und vielleicht kreativere Weltbewältigung als das Nachbeten des Kanons hat Wim Vandekeybus zu der jüngsten Produktion mit Ultima Vez inspiriert. 7 for a secret never to be told orientiert sich an einem angelsächsischen Kinderreim über die Elster, deren natürliches Verhalten gern zum Sinnbild für Niedertracht verbrämt wird. Bei Vandekeybus flattert das mythische Biest in Gestalt eines schwarzweiß gekleideten Tänzers durch sieben Szenen, die analog zum Reim die Begriffe Kummer, Freude, Mädchen, Junge, Silber, Gold und Geheimnis tänzerisch beleuchten wollen.
Naheliegend beginnt das Stück im dunklen Märchenwald. Eine somnambule, elfengleiche Amazone stolpert kreiselnd rückwärts, ein deplazierter Anzugträger meint, sie vor den Angriffen der räuberischen Elster retten zu müssen. Träume mischen sich mit Alpträumen. Vandekeybus führt sein neunköpfiges, wie stets waghalsiges und sprungbereites Ensemble vor, doch Dynamik entsteht vorwiegend durch das dramatische Streichquartett des finnischen Komponisten Kimmo Hakola. Die zweite Szene beschwört eine Magierstunde, durch die ein nicht wirklich begnadeter Entertainer führt. Es gibt ein Mikro, eine Wahrheitsmaschine und viel Trockeneis, doch im Vordergrund stehen die Kostüme, die die Tänzer in Fische, Würste und Müllsäcke verwandeln und jedem Kindertheater viel Freude machen würden.
Erst wenn sich im dritten Bild die Tänzerinnen selbst ihre roten Teppiche ausrollen und ganz nebenbei zeigen, was Oasis mit „She's electric“ gemeint haben müssen, und im vierten Bild, wenn nichts als drei tanzende, fallende, fliegende Männer Raum und Licht beherrschen, kann Vandekeybus' Choreographie wirklich fesseln. Woran sie insgesamt ein wenig krankt, ist, daß durchgehend auf ein Geheimnis referiert, aber selten eins kreiert wird.
Win Vandekeybus tanzte bei Jan Fabre, bevor er 1987 Ultima Vez gründete und gleich für ihre erste Produktion einen Bessie Award erhielt. Elf Filme, Videos und Tanzstücke hat der Belgier, bekannt für seinen aggressiv-riskanten Stil, seitdem gemacht. Viele von ihnen sind großartig; 7, gemessen an den von ihm gesetzten Standards, leider ein wenig langweilig. ck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen